Als 1959 erstmals mobile Radargeräte eingesetzt wurden, kam die "geblitzte" Geschwindigkeit Raser steuer zu stehen. Die Stadt München stellte mit einem einzigen Radargerät innerhalb eines Jahres 85.233 Geschwindigkeitsübertretungen fest und kassierte dafür geschätzte fünf bis zehn Millionen Euro. Autor: Thomas Grasberger
Als Anfang der 1980er Jahre auf einer oberbayerischen Staatsstraße ein motorisiertes Fahrrad, kurz Mofa, das mobile Radargerät einer Polizeistreife passierte, trauten die Beamten ihren Augen nicht. Das Messergebnis lag bei 128 km/h! Erlaubt waren 80. Und ein Mofa durfte von Gesetzes wegen nur 25 fahren. Die eklatante Differenz zwang die uniformierte Staatsmacht zum Einschreiten - was leichter gesagt als getan war, denn - wie erwähnt - der Mofa-Fahrer war flott unterwegs. Er gehörte offenbar zu jener damals großen Gruppe technisch versierter junger Männer, die sich zur Überwindung ruraler Räume und ländlicher Langeweile ganz der Kunst des Mofa-Frisierens verschrieben hatte. Viele 15-Jährige veränderten an ihren Maschinen die Zahn- und Kettenräder, die sogenannten Ritzel, um auf Höchst-geschwindigkeiten von 50 oder 60 km/h zu kommen. Die versierteren Bastler setzten eins drauf, feilten und bohrten und montierten neue Moped-Zylinderköpfe: Ein Platz in der regionalen Hall of Fame für Mofa-Frisöre war ihnen damit so gut wie sicher. Schließlich war der Bastelspaß ja kein Selbstzweck, sondern hatte einen höchst kompetitiven Charakter: "Wer ist der schnellste im Landkreis?" Es ging also um die Ehre!
Das dromokratische Zeitalter
Und die gebührte jenen 128 km/h, die bei Mofas nur selten gemessen wurden und sogar bayerischen Verkehrspolizisten Respekt abnötigten. Schließlich lebten wir ja im "dromokratischen Zeitalter", wie der französische Philosoph Paul Virilio schon 1980 festgestellt hatte. Mit "Dromokratie" bezeichnete Virilio eine Gesellschaft, die ganz und gar von der Geschwindigkeit beherrscht wird, in allen Lebensbereichen: der Technik, der Wirtschaft, der Politik. Und auf dem Mofa natürlich. Letzteres hatte der Philosoph zwar nicht explizit erwähnt, was aber egal war, weil wohl die wenigsten Mofa-Fahrer und Polizisten damals Virilio lasen. Das Prinzip jedoch stimmte: Die 128 km/h auf dem Mofa waren eine respektable Leistung!
Von hinten!
Dass diese überhaupt angemessen gewürdigt werden konnte, war einer Erfindung zu verdanken, die in Deutschland erstmals am 15. Februar 1959 eingesetzt worden war. An jenem Sonntag hatten rheinische Polizeibeamte an der Straße zwischen Düsseldorf und Ratingen zwei seltsam anmutende Kästen vor ihrem Transporter aufgestellt. Der tiefere Sinn dieser mobilen Radargeräte wurde allzu flotten Autofahrern schnell deutlich: Schwarz auf weiß – und damals noch von hinten – dokumentierten die Blitzer-Fotos das amtliche Kennzeichen und die geblitzte Geschwindigkeit der Raser. Die fällige Strafe führte dazu, dass sich der stolze Anschaffungspreis von 20.000 D-Mark pro Gerät schnell amortisiert hatte. Kein Wunder, dass bald auch andere Bundesländer diese lukrativen Apparate haben wollten.
Mittlerweile sind Radargeräte übrigens aus der Mode, die Polizei setzt auf modernere, optische Messverfahren. Klar, warum sollte der dromokratische Wandel auch ausgerechnet vor der Geschwindigkeitsmessung halt machen?