Ein Abenteuer nicht alleine erleben, sondern mit Anderen. Idealerweise als der Held vorne weg. Deshalb such Thierry Sabine Mitstreitende für die erste Rallye Paris-Dakar. Doch dann kommt es anders auf dem Weg ins Ziel der bald berühmtesten Wüstenralley der Welt. Autor: Sebastian Kirschner
Ein Held, ein sagenhaftes Ereignis und Schicksal: Das sind die Zutaten für einen Heldenmythos. So haben schon die Dichter der griechischen Antike gearbeitet. Heute kann auch jeder am eigenen Mythos feilen. Selbst wenn der vor Möchtegern-Helden und Unvernunft nur so strotzt. Wie im Fall der Rallye Paris-Dakar und ihres Gründers Thierry Sabine.
Vollgas durch die Wüste
Es ist der 14. Januar 1979: Zieleinlauf in Dakar, Hauptstadt des Senegal. Ein Mythos ist geschaffen. Nach knapp vier Wochen endet die erste Rallye Paris-Dakar. Sie wird bald als härteste und gefährlichste Wüstenrallye der Welt gelten. Fast jedes Jahr wird sie mindestens einen Toten fordern. Kein Wunder: Schon bei ihrer ersten Auflage brettern 182 waghalsige Fahrer mit ihren Motorrädern, Autos und Trucks 10 000 Kilometer von Paris nach Dakar; den größten Teil davon halsbrecherisch über Staub- und Schotterpisten quer durch Nordafrika.
Schneller, weiter - sandiger
Der Gründer der Rallye, der Franzose Thierry Sabine, hat sich damit einen Traum erfüllt. Ein strubbeliger Exzentriker, der der Raserei verfallen ist: So beschreibt ihn einmal das Magazin "Der Spiegel". Einer, der schon als Kind Autos schrottete. Der später Pferde, Motorräder und Geländewagen über furchterregende Hindernisse trieb. Einer, der das Rampenlicht suchte. Fast scheint es, als wäre Sabine vorherbestimmt für einen Macho-Wettkampf der Bleifuß-Fanatiker wie die Rallye Paris-Dakar. Doch um sie zu einem wahrhaften Mythos zu machen – und sich selbst damit zum Helden, reicht das nicht. Dazu braucht es auch einen mythischen Ursprung.
Thierry Sabine kann ihn bieten: Auf den Tag genau zwei Jahre zuvor, am 14. Januar 1977 endet für ihn eine Odyssee. Drei Tage und drei Nächte lang war der damals 27-Jährige Rallye-Fahrer in der Libyschen Wüste verschollen. Sabine hatte sich mit seinem Motorrad auf einer Wüstenrallye verirrt. Orientierung ohne Navigationsgerät: Eine Herausforderung, erst recht ohne befestigte Straßen und mit kaputtem Kompass.
Die Legende erzählt, Thierry Sabine irrte in der Wüste umher, betete um Rettung und leckte Steine, um seinen Mund feucht zu halten. Verloren im Nirgendwo und allein mit sich und seinem Schatten überwältigte ihn die Weite der Wüste. Sabine hatte eine Vision: Diese Erfahrung mit so vielen anderen Rallyefahrern zu teilen wie möglich. Ein Ziel, dem er fortan sein Leben widmete.
Eine Geschichte eines Mythos würdig. Von Thierry Sabine so geplant? Ein symbolbeladener Tag für ihn? Ein geschickter PR-Coup? Vielleicht. Für das, was noch kommen sollte, gilt das sicher nicht – auch, wenn das den Mythos der Rallye erst zementiert.