67 Gleise hat er und ist damit der Bahnhof mit den meisten Gleisen weltweit: Der Grand Central Terminal in New York. Auch 44 die Bahnsteige sind Weltrekord. Aber er ist nicht nur groß, sondern auch schön. Besonders sehenswert ist die gigantische Haupthalle mit der dunkelblaugrünen Deckenausmalung als Sternenhimmel. Autorin: Julia Devlin
Menschen haben schon immer Tempel gebaut. Viele Überlieferungen der Menschheitsgeschichte erzählen von heiligen Bauwerken, die mit ihrer Schönheit, ihrer Größe, ihrer Pracht geradezu den Kosmos widerspiegelten.
Und indem man der Gottheit in einer Umgebung voller Pracht und Schönheit huldigte, sprang etwas von dem Göttlichen auf den Sterblichen über und gab ihm das erhebende Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein, an einem Ort zu stehen, wo sich Himmel und Erde begegneten. Die antiken Tempel in Theben, in Jerusalem oder in Athen vermitteln selbst als Ruinen noch Erhabenheit und lassen ahnen, wie sie einst auf die Menschen gewirkt haben.
Neue Tempel für neue Götter
Um diese Wirkung wussten auch die Baumeister späterer Epochen. Denn es kamen neue Zeiten und neue Götter. Und in einem Zeitalter, in dem die Gottheiten Schnelligkeit und Kommerz hießen, wurden auch ihnen Tempel gebaut. Bahnhöfe entstanden, die Kathedralen gleich waren. Und der prachtvollste, herrlichste und größte aller Bahnhöfe war der Grand Central Terminal in New York.
Sein Herzstück ist die monumentale, 112 Meter lange Bahnhofshalle. Durch riesige Rundbogenfenster fällt das Tageslicht auf schimmernden Marmor. Darüber wölbt sich in 37 Meter Höhe ein blaugrünes Firmament, auf dem der Reigen der Sternkreiszeichen und die Milchstraße golden funkeln. Der nächtliche Himmel ist es, der hier den Reisenden scheint. Akkurat wie aus dem Lehrbuch eines Astronomen ziehen Wassermann, Fische, Widder, Stier, Zwillinge und Krebs ihre Bahn, auch Orion ist zu sehen, der drohend seine Keule schwingt, und aus der gegenüberliegenden Ecke galoppiert der legendäre Pegasus heran.
Eine Frage der Perspektive
Keine zwei Monate nach der Einweihung von Grand Central Terminal am 2. Februar 1913 fiel jedoch einem Pendler aus New Rochelle auf, dass das Deckengemälde gar nicht akkurat den Sternenhimmel widerspiegelte. Empört schrieb er der Eisenbahngesellschaft, dass alles vertauscht sei, West sei Ost, und Ost sei West, und Reisende, die sich wie in alten Zeiten am Sternenhimmel orientieren wollten, würden sich hoffnungslos verirren.