Sie stellen sich ein wenig an wie die berühmten Panzerknacker aus dem Comic: Die Brüder Franz und Erich Sass. Im Berlin der Weimarer Republik versuchen sie Banken auszurauben. Zuerst scheitern sie krachend, dann aber gelingt ihnen der perfekte Coup. Geschnappt werden sie nicht. Autor: Sebastian Kirschner
Es ist eine einfache Sache: Auf der einen Seite - das Böse, die Verbrecher. Sie rauben, stehlen, lügen und betrügen. Auf der anderen Seite - das Gute, die Helden. Ehrlich, redlich und unbescholten. Schwarz und weiß, Licht und Schatten. - Aber Krimi-Fans wissen: Jeder Täter hat ein Motiv, jeder vermeintliche Held besitzt auch andere Seiten. Gut scheint plötzlich gar nicht mehr so gut, böse wirkt im Grunde doch ganz sympathisch.
Von jedem etwas
Soll er also doch rauben, der Robin Hood! Er gibt es ja den Armen. Und auch bei Verbrechen von Meisterdieben drücken wir gern ein Auge zu, wenn sie damit der Staatsgewalt ein Schnippchen schlagen. Dabei ist das, was am 27. Januar 1929 in Berlin passiert, nicht irgendein Verbrechen.
Die Wirtschaftskrise hält Deutschland fest im Griff. Was den Leuten außer Geld fehlt sind Perspektiven. Und Heldenfiguren, in die sie sich projizieren können. Doch in Berlin finden sie ihre Helden, und zwar ausgerechnet in zwei Spitzbuben: Franz und Erich Sass.
Unsere Helden!?
Die wachsen in ärmlichen Verhältnissen auf, in der Berliner Arbeitergegend Moabit. 1-Zimmer-Hinterhauswohnung, vier weitere Geschwister, der Vater Schneider, die Mutter Wäscherin. Schon als Jugendliche machen Franz und Erich wegen kleinerer Delikte Bekanntschaft mit der Polizei. 1926 dann, beide Anfang 20, entdecken die Jungkriminellen das Tresoreknacken für sich. Dabei revolutionieren sie ihr Gewerbe: kein lautes Brechen und Sprengen mehr, sondern filigrane Millimeterarbeit und ein Schneidbrenner.
Was die beiden Ganoven so sympathisch macht? Vier Bankraube planen sie bis ins Detail - und vier Mal geht es daneben! Mal kalkulieren sie nicht ein, dass der Schneidbrenner Sauerstoff verbraucht; Ihnen bleibt schlicht die Luft weg. Mal kehrt der Nachtwächter zu früh zurück und verhindert so eine Peinlichkeit fürs ganze Land: den Raub von 9 Millionen Reichsmark, der nächsten Reparationsrate aus dem Ersten Weltkrieg. Dafür sind Polizei und Presse den beiden längst auf der Spur, zu eindeutig das Vorgehen. Nur nachweisen kann man ihnen nichts.
In der Berliner Diskontobank gelingt der große Coup. Und das so perfekt, dass die Bank erst gar nichts bemerkt. Denn die schwere Tür zum Tresor scheint zu klemmen. Erst zwei Tage später, am 29. Januar, schaffen zwei Maurer ein Loch durch die massive Seitenwand - der Blick fällt auf ein Desaster: die Tür von innen blockiert, so gut wie jedes der knapp 180 Schließfächer geleert – mit allem, was betuchte Berliner vor Dieben, Gläubigern oder dem Finanzamt sichern wollten. Am Boden Reste von Schmuck, Wertpapieren, sogar zwei leere Weinflaschen. Die Räuber hatten sich in aller Ruhe über einen Nachbarkeller zum Lüftungsschacht und so zum Tresor vorgearbeitet.