Wer eine Firma gründet, muss mit dem Risiko leben, dabei zu scheitern. Dazu sind viele Deutsche aber nicht bereit. Denn berufliches Versagen gilt als Makel, den man so leicht nicht wieder loswird.
Erfolg und Scheitern gehören zum Berufsleben. Doch in Deutschland wird die Pleite der eigenen Firma bei vielen als persönliches Versagen gesehen. Deshalb würde auch die Hälfte aller 18- bis 64-jährigen Deutschen keine eigene Firma gründen, so ein Bericht des Global Entrepreneurship Monitors 2012. In den USA sind es dagegen 37 Prozent.
Matti Niebelschütz hat 2008 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Sein Unternehmen „Myparfum.de“ war schnell erfolgreich. Die Idee, ihr eigenes Parfüm zu kreieren, gefiel vielen Menschen. Niebelschütz hatte große Pläne und vergrößerte seine Firma – bis die Bestellungen weniger wurden und er im Jahr 2013 Insolvenz anmelden musste. Weil ihm sein Bruder finanziell geholfen hat, konnte er seine Firma zurückkaufen. Heute leitet er sie wieder, allerdings mit weniger ehrgeizigen Zielen.
Für Niebelschütz war die Pleite seiner Firma eine Chance, noch einmal von vorne zu beginnen. Aber auch er musste feststellen, dass es für Menschen, die eine Insolvenz hinter sich haben, in Deutschland schwer ist. Das sieht Thordis Bethlehem vom Bund deutscher Psychologen genauso. Sie sagt: „Scheitern ist in Deutschland eine Schmach und mit einem lang anhaftenden Makel verbunden.“
Nachdem ihre Firmen pleite gegangen sind, stürzen viele Selbstständige ab – finanziell und sozial. Attila von Unruh vom Bundesverband Menschen in Insolvenz und neue Chancen e.V. kümmert sich um die Betroffen. Er hofft, dass sich die Mentalität in Deutschland in Zukunft ändert und eine Kultur der zweiten Chance möglich wird. Er sagt: „Wir müssen Neues ausprobieren und damit auch scheitern können, sonst können wir keine Innovation schaffen.“Glossar
scheitern – keinen Erfolg bei etwas haben
versagen – →scheitern; eine Leistung nicht bringen können
Makel, - (m.) – der Fehler; etwas, das jemandem peinlich ist
etwas los|werden – etwas verkaufen/wegbekommen und froh darüber sein
Pleite, -n (f.) – hier: die Tatsache, dass eine Firma/jemand kein Geld mehr hat
den Schritt in etwas wagen – den Mut finden, etwas anzufangen
Selbstständigkeit (f., nur Singular) – hier: die Situation, nachdem man eine Firma gegründet hat
etwas kreieren – etwas herstellen; etwas erfinden; sich etwas ausdenken
Insolvenz an|melden – öffentlich bekannt machen, dass eine Firma zahlungsunfähig ist
etwas zurück|kaufen – etwas noch einmal kaufen, das bereits verkauft worden war
ehrgeizig – so, dass man sehr viel erreichen und immer gute Leistung bringen will
Bund (m., nur Singular) – hier: die Vereinigung; die Gruppe
Schmach (f., nur Singular) – die Schande; die Blamage
lang anhaftend – so, dass etwas nicht → loszuwerden ist
ab|stürzen – hier:kein Geld und keine Freunde mehr haben; ruiniert werden
Betroffene, - (m./f.) – die Person, um die es geht
Mentalität (f., nur Singular) – die Einstellung zu etwas/jemandem
Kultur (f., hier nur Singular) – hier: die Stimmung in einem Land gegenüber etwas
Innovation, -en (f.) – hier: die neue Idee, die Erfolg hat