Wohngemeinschaften sind heute etwas völlig Normales. 1967 war das allerdings noch anders: Die berühmteste Wohngemeinschaft Deutschlands provozierte die Gesellschaft mit neuen Ideen und Forderungen.
Die Kommune 1 entstand am 1. Januar 1967 und war eine der ersten Wohngemeinschaften Deutschlands. Ulrich Enzensberger war Gründungsmitglied der Kommune und erinnert sich: "Wir haben diesen schönen Traum geträumt, dass wir eine ganz andere Gesellschaft auf unseren 110 Quadratmetern Altbauwohnung gründen könnten."
Die Kommune 1 war Keimzelle der antiautoritären Bewegung in Deutschland. Sie befürwortete unter anderem die Gleichberechtigung von Mann und Frau und kritisierte die bürgerliche Kleinfamilie. Viele Vorstellungen der Gesellschaft wurden von der Kommune abgelehnt: Sie demonstrierte zum Beispiel gegen die Spießigkeit und Heuchelei der Nachkriegszeit.
Politische Ziele spielten für die Kommune keine große Rolle. Wichtiger waren für die Mitglieder neue Lebensformen im Alltag und eine freiere Sexualität. "Wir wollten andere Menschen werden“, so Gründungsmitglied Rainer Langhans. "Wir wollten auf einer kleinen Insel im falschen Leben ein richtiges zu leben versuchen."
Auch in der Öffentlichkeit machte die Kommune mit provokanten Auftritten auf sich aufmerksam. Aus den Studenten wurden richtige Berühmtheiten. 1969 führten jedoch Streitigkeiten zum Ende der Gemeinschaft. Der Kabarettist Richard Rogler bezeichnet die Wirkung der Kommune 1 als "Kulturrevolution auf allen Ebenen". Auf jeden Fall ist die Idee der Wohngemeinschaft für Generationen junger Menschen zum Vorbild geworden – allerdings ohne die extremen Einstellungen der K1.
Glossar
Wohngemeinschaft, die – eine Gruppe von Menschen, die sich eine Wohnung teilen
jemanden provozieren – Dinge tun oder sagen, die andere Menschen sehr ärgern (Adjektiv: provokant)
Kommune, die – die Gemeinschaft
Gründungsmitglied, das – jemand, der von Anfang an dabei war
Keimzelle, die – hier: der Ursprung von etwas
antiautoritär – kritisch gegenüber bestehenden Machtverhältnissen; so, dass man gegen Zwänge und Verbote ist
Bewegung, die – hier: eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames Ziel hat
etwas befürworten – etwas gut finden; etwas unterstützen
bürgerlich – hier: konservativ, traditionell
Spießigkeit, die – abwertend für: das Festhalten an traditionellen Vorstellungen
Heuchelei, die – das Lügen
etwas spielt keine große Rolle – etwas ist nicht so wichtig
auf sich aufmerksam machen – dafür sorgen, dass man beachtet wird
Kabarettist, der – der Komiker
Kulturrevolution, die – die Erneuerung kultureller Vorstellungen in einer Gesellschaft
Vorbild, das – jemand, den man so sehr bewundert, dass man so sein möchte wie er
Einstellung, die – hier: die Meinung; die Ansicht