In deutschen Gymnasien trifft man nicht viele Kinder und Jugendliche mit körperlicher Behinderung. Eine Ausnahme ist die Anna-Freud-Schule in Köln. Hier lernen alle Schüler gemeinsam.
Cesar Benham ist hochkonzentriert. Der 20-Jährige Schüler, der an Muskelschwund leidet, schaut auf sein Aufgabenblatt und macht seinen beiden Mitschülern einen Lösungsvorschlag. Der Klassenraum der Anna-Freud-Schule ist groß – und das ist kein Zufall: Hier gehen die Schüler nicht nur zur Tafel, sie fahren auch mit einem Rollstuhl dorthin. Denn an dem Kölner Gymnasium bereiten sich Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam auf das Abitur vor.
Wenn es um die sogenannte "Inklusion" an deutschen Schulen geht, ist damit meist gemeint, dass sich Regelschulen wie Haupt- und Realschulen oder Gymnasien für Schüler mit Behinderungen öffnen. An der Anna-Freud-Schule ist das anders: Die frühere Schule für Kinder und Jugendliche mit körperlicher Behinderung öffnete sich auch für Schüler ohne Behinderung. Aufgrund dieses deutschlandweit einmaligen Konzepts darf sich das Gymnasium jetzt Hoffnung auf den deutschen Schulpreis 2012 machen.
Deutsche Schulen und die Politik beschäftigen sich derzeit sehr intensiv mit dem Thema Inklusion, weil eine UN-Konvention das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung fordert. Doch bis dahin muss sich noch viel tun – besonders in Deutschland, wo Kinder mit Behinderung meist eine so genannte Förderschule besuchen. Die Gebäude müssen nicht nur barrierefrei sein, auch das Lehr- und Pflegepersonal muss auf die neuen Aufgaben vorbereitet werden. Cesar Behnam findet das Konzept der Anna-Freud-Schule gut: "Ich habe mir schon immer gewünscht, auf eine integrative Schule zu gehen", sagt er. Für den Besuch seiner Schule fährt Cesar sogar täglich über 70 Kilometer von seiner Heimatstadt Aachen nach Köln.