Wie kommen Städte an Besucher? Mit dem Versprechen eines perfekten Erlebnisses, hinter dem gutes Marketing und viel Arbeit stecken. Ihr Vorbild: Themenparks à la Disneyland.
Bisher ist Bern die kleine sympathische Hauptstadt der Schweiz gewesen: Reichlich beschenkt von Geographie und Geschichte zog es vor allem inländische Touristen an, die einmal die Bundesstadt sehen wollten. Doch dieses bescheidene Ziel hat sich geändert - Bern hat Fußball, Einstein und Toblerone entdeckt.
"Wir mussten erst ARD und ZDF schauen, um zu wissen, dass das Wunder von Bern bei uns stattgefunden hat", sagt Alexander Tschäppät. Berns Stadtpräsident machte damit auf ein Problem vieler Städte aufmerksam: Touristische Attraktionen bleiben unerkannt und damit wichtige Unterscheidungsmerkmale, die das Angebot einer Stadt aus dem Einheitsbrei heben. Im Falle Berns sind das neben dem deutschen Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 Albert Einstein, der hier sieben Jahre lebte und forschte, sowie die weltberühmte Schweizer Schokolade Toblerone, die nur in Bern hergestellt wird.
Städte für solche Sehenswürdigkeiten zu sensibilisieren und diese geschickt zu vermarkten - das ist die Aufgabe von Emmanuel Mongon. Der nennt sich "Chef-Imagineer" und arbeitet bei dem Pariser Unternehmen Imaginvest, das die Marketingkampagne der Stadt Bern entwickelt hat. Mongon hat ein klares Vorbild: "Disneyland ist ein Muster."
Bei so viel Marketing kann man misstrauisch werden, ob es um mehr Schein als Sein gehe. Tschäppät beeilte sich dann auch, entsprechende Zweifel im Falle Berns zu zerstreuen: "Wir sind eine lebendige Stadt, kein Themenpark!" Die Architektur reiche tatsächlich bis in das 12. Jahrhundert zurück und sei nicht für Touristen nachgebaut worden. Das mag für das glückliche Bern zutreffen. Andere, weniger gesegnete Städte haben aber das Nachsehen. Sie müssen ihre Attraktionen nicht nur finden, sondern erst erfinden. Ob diese Form des Marketings auch zum Wohle der Städtereisenden ist, darüber war auf dem Kongress nichts zu hören.
GLOSSAR
Erlebnis, das – das Ereignis
Marketing, das – aus dem Englischen: die Vermarktung
à la – aus dem Französischen: in dem Stil, in der typischen Art
inländisch – national
das Wunder von Bern – bezeichnet den Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz am 4. Juli 1954 durch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen die Nationalmannschaft Ungarns
auf etwas aufmerksam machen – das Interesse auf etwas lenken
Attraktion, die – etwas, das ganz besonders interessant ist
Unterscheidungsmerkmal, das – eine besondere Eigenschaft, die eine Sache von der anderen unterscheidet
Einheitsbrei, der – Metapher für Dinge, die sich kaum von einander unterscheiden
Sehenswürdigkeit, die – ein Ort, der besonders schön, wertvoll oder interessant ist
jemanden für etwas sensibilisieren - bewirken, dass jemand Probleme besser versteht
geschickt – hier: schlau
etwas vermarkten – etwas bekannt machen um damit Geld zu verdienen
mehr Schein als Sein – sprichwörtlich, wenn jemand vorgibt etwas zu sein, das er/sie nicht ist
lebendig – hier: voller Schwung und Temperament
gesegnet – hier: mit vielen Vorzügen
das Nachsehen haben – wenn jemand nicht das bekommt was er/ sie haben wollte
erfinden – ausdenken
zum Wohle von jemandem – wenn etwas gut für jemanden ist