Nach dem Rücktritt Christian Wulffs muss ein neuer Bundespräsident in Deutschland gewählt werden. Umfragen zufolge sind die meisten Deutschen für den parteilosen Joachim Gauck.
Joachim Gauck gehört zu keiner Partei, aber er ist nicht unpolitisch. Links, liberal und konservativ – so sieht er selbst seine politische Richtung. Nach persönlichen Erfahrungen in zwei Diktaturen bezeichnet Gauck 'Freiheit' als sein großes Lebensthema. Denn er wurde in der NS-Zeit geboren und wuchs in der DDR auf. Seine Familie lebte unter ständiger Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit.
Als Theologe und Pastor spielte Gauck im Widerstand gegen das DDR- Regime und dann im Wendejahr 1989 eine wichtige Rolle. Er leitete die wöchentlichen Gottesdienste und führte die anschließenden Großdemonstrationen an.
In den Jahren danach war sein Name vor allem mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte verbunden. Denn Gauck leitete von 1990 bis 2000 die Bundesbehörde für Stasi-Unterlagen, die umgangssprachlich einfach zur 'Gauck-Behörde' wurde. Sie ermöglicht zum Beispiel Bürgern Einblick in die Informationen, die die Stasi über sie gespeichert hatte.
In den meisten Parteien hat der 72-Jährige große Zustimmung als Kandidat für das höchste Amt im Staat. Einer Umfrage zufolge wünschen sich auch 54 Prozent der Deutschen Joachim Gauck als neuen Präsidenten. Aber sie entscheiden nicht mit. Denn der Bundespräsident wird nicht vom Volk gewählt, sondern von der Bundesversammlung, einem Gremium aus Politikern und anderen Vertretern der Gesellschaft.
Glossar
Bundespräsident, der – das Staatsoberhaupt, das Deutschland repräsentiert
Rücktritt, der – die Tatsache, dass man ein Amt nicht weiter ausübt
links – hier: politisch links eingestellt
liberal –so, dass man die Freiheiten der Menschen möglichst wenig einschränken will
konservativ–hier: politische Einstellung, bei der traditionelle Werte sehr wichtig sind
politische Richtung, die – die politische Meinung, die man hat
Lebensthema, das – das Thema, das einem im Leben am wichtigsten ist
NS-Zeit, die – Abkürzung für:die Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 45); die Diktatur Hitlers
DDR, die – Abkürzung für: die Deutsche Demokratische Republik (1949 – 1990)
Ministerium für Staatssicherheit, das – der Geheimdienst der DDR, kurz: Stasi
Pastor/Patorin, der/die – die Bezeichnung für einen evangelischen Priester
eine wichtige Rolle spielen– wichtig sein; eine wichtige Aufgabe haben
Widerstand, der – der Protest gegen etwas
Regime, das – eine Diktatur; eine Regierung, die nicht demokratisch ist
Wende, die –hier: die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR 1989/1990
Gottesdienst, der – eine religiöse Zeremonie im Christentum
Demonstration, die – hier: ein öffentlicher Protest gegen etwas
Aufarbeitung, die – hier: die Prüfung; die Analyse (Verb: aufarbeiten)
Bundesbehörde für Stasi-Unterlagen, die – die Behörde, die die DDR-Geschichte anhand von → Stasidokumenten →aufarbeitet und sie der Öffentlichkeit zugänglich macht
Bundesversammlung, die – eine Gruppe von Politikern und anderen Vertretern der Gesellschaft, deren einzige Aufgabe es ist, den Bundespräsidenten zu wählen
Gremium, das –eine Gruppe von Menschen, die eine bestimmte Aufgabe erfüllen soll