Die Jungenfiguren der Autorin Astrid Lindgren sind meist zarter als die Mädchen - eine Erinnerung an ihren eigenen Sohn, den sie am 4. Dezember 1926 bekam. Unehelich - was ihr damals große Probleme einbrachte.
In den kleinen, kleinen Städtchen dieser Welt drohen die Urgewalten des Lebens schon mal in bürgerlicher Behaglichkeit zu ersticken. Da ist es ein großes Glück, wenn irgendwo am Rande eine verlotterte Villa Kunterbunt herumsteht, und jemand wie Pippi Langstrumpf zieht ein, um mit Polizisten, Räubern und ähnlichen Angstmachern ihre vergnügten Spiele zu treiben. Die bärenstarke Pippi ist die Wunschphantasie einer Frau, die mit Kleinstadt-Idyllen so ihre Erfahrungen hatte.
Nicht aus der Rolle fallen
Astrid Lindgren wuchs in der Nähe von Vimmerby auf; einem netten schwedischen Städtchen, in dem es sich gut leben ließ, solange man nicht aus der Rolle fiel. Eben dies stieß Astrid zu, als sie 18 war. Sie wurde schwanger. Eine Heirat war unmöglich, der Kindsvater hatte schon eine Frau, und die Liebe fehlte wohl auch. Astrid wollte nichts wie weg. Raus aus diesem Schlangennest, in dem sich alle über sie das Maul zerrissen.
Ihr Sohn Lars kam am 4. Dezember 1926 in einer dänischen Klinik zur Welt, dem einzigen Krankenhaus in Skandinavien, das anonyme Geburten ermöglichte. Dann fuhr sie nach Stockholm zurück. Lars genannt Lasse blieb in einer Pflegefamilie. Ihr mageres Sekretärinnengehalt reichte nicht für sie beide, selbst die Bahnfahrten zum Kind musste sie sich vom Mund absparen. Bis sie Lasse zu sich nehmen konnte, vergingen einige Jahre; Jahre der Sehnsucht und Entbehrung. Erst in ihrer Ehe mit Sture Lindgren fand sie geordnete Verhältnisse und konnte ihr zweites Kind, die Tochter Karin, gelassener genießen.
So wirkte es nach außen. Astrid Lindgren verriet der Öffentlichkeit nicht alles. Von den schweren Alkoholproblemen ihres Mannes ließ sie nie etwas verlauten. Lasse scheint beim Stiefvater wenig Halt gefunden zu haben. Auch er verfiel dem Alkohol, und Astrid Lindgren musste beide als Opfer ihrer Sucht zu Grabe tragen.
Träumen oder Astrid Lindgren lesen
Die Kraft für ihr Leben fand sie in ihrer eigenen Kindheit. Die Spiele in ländlicher Umgebung, der Vater, der viele Geschichten erzählte: Das verblasste nie und leuchtet auf in ihrem Werk. Doch Dunkles gibt es dort auch. Auch Kinder sind neugierig auf das wahre Leben, und auch Kinder haben das Recht, von Kunst erschüttert zu werden. Das war ihre Meinung.