Sie liegt in einer Gruft in Palermo, aber sie sieht aus, also ob sie nur ein Nickerchen mache, und das seit dem 6. Dezember 1920. Die perfekte Mumie der zweijährigen Rosalia erinnert an Schneewittchen. Schauerlich.
Rosalia Lombardo ist ein Publikumsmagnet: Die makellose Zweijährige in der Gruft des Kapuzinerklosters in Palermo sieht seit bald 100 Jahren aus, als würde sie friedlich schlafen - frischer Pfirsichteint, die Augen halb geöffnet, eine Schleife im blonden Haar. Die herausgeputzte kleine Sizilianerin gilt als schönste Mumie der Welt.
Ein Teint wie ein Pfirsich
Von Schönheit in Zusammenhang mit Mumien reden Anthropologen eher selten. Noch seltener von "engelsgleichen Zügen". Doch der Zustand der Kindermumie aus Palermo ist absolut einzigartig: Rosalia hat Pausbäckchen! Und auf Röntgenbildern kann man erkennen, dass sogar Gehirn, Leber und Lungenflügel vollständig erhalten geblieben sind. Kein Vergleich zu den übrigen, rund 2.000 düsteren Gestalten, die in schier endlosen Reihen in den hohen Gruftgewölben Palermos Wache halten - zahnlose Münder, leere Augenhöhlen, fadenscheinige Gewänder aus drei Jahrhunderten - die größte Mumiensammlung der Welt sieht aus wie altes Dörrobst. Kein Gesicht ist so perfekt konserviert wie das von Rosalia.
Gestorben am 6. Dezember 1920 an einer Lungenentzündung - unsterblich geworden durch die besondere Kunstfertigkeit, mit der ihr Leichnam präpariert wurde. Mit welcher Formel Rosalia so perfekt für die Ewigkeit hergerichtet wurde, das allerdings blieb lange ein Familiengeheimnis des sizilianischen Einbalsamierers Alfredo Salafia. Erst vor wenigen Jahren wurde die Zutatenliste in seinem Nachlass entdeckt: Salafia, schon zu Lebzeiten eine Berühmtheit, hat in eleganter Handschrift festgehalten, was in Rosalias Adern geflossen war: eine Mischung aus Formalin, Glycerin, Zinksalzen, Alkohol und Salizylsäure. Revolutionär für den damaligen Stand der Wissenschaft! Und eine Mischung, die im Großen und Ganzen auch heute noch in Leichensälen verwendet wird. Zusätzlich spritzte der Präparator eine Paraffinlösung unter die Haut der Verstorbenen. So blieben ihre Gesichtszüge unverändert straff.
Gutes Klima für Mumien
Als das ebenso geheimnisumwobene wie exklusive Verfahren an Rosalia zur Anwendungen kam, hatte man die Bestattungspraxis in der palermitanischen Kapuzinergruft allerdings schon seit Jahren aufgegeben. Das zweijährige Mädchen gehörte zu den letzten Neuankömmlingen unter all den Mönchen, Priestern, Lehrern, Ärzten und Rechtsanwälten. Es heißt, ihr Vater, der sie abgöttisch liebte, habe darauf bestanden: Die Tochter sollte nicht nur in besserer Gesellschaft ruhen, sondern auch besser aussehen! Die herkömmliche Praxis der Kapuziner, die Leichen bei gleichbleibender Temperatur, niedriger Luftfeuchtigkeit und guter Belüftung in den Tuffsteingewölben gleichsam trocknen zu lassen, kam keinesfalls in Frage. Der Vater wollte die Illusion, seine Tochter mache nur ein Nickerchen.