Die Bildhauerin Thérèse Peltier war die erste Passagierin in der Geschichte des Motorflugs. Am 8. Juli 1908 hob sie ab, der Pilot war ihr Lebensgefährte Léon Delagrange - damals eine Sensation.
Der Menschenflug wurde nicht von Professoren erfunden, sondern von Außenseitern. Von Träumern, deren technisches Genie noch empfänglich war für das Wunderbare und Unwahrscheinliche, das die etablierten Gelehrten regelmäßig für unmöglich erklärten. Die tiefe Sehnsucht der Flugpioniere nach Überwindung der Erdenschwere teilten auch Frauen, und sehr früh fanden sich Abenteuerinnen, die fliegen wollten, abheben in die grenzenlose Weite des blauen Luftmeers.
Passagierflug mit Dame
Die ersten Pilotinnen verkörperten die allgemeine Aufbruchsstimmung an der Wende zum 20. Jahrhundert, die Lust an der Grenzüberschreitung auch in Geschlechterfragen. Sie zogen die Blicke auf sich, und der Neid ihrer männlichen Kollegen war ihnen sicher. Oft kam es zu lebensgefährlichen Sabotageakten. Wer sich in dieser Männerdomäne behaupten wollte, musste kämpfen können und mit unkonventionellen Verhaltensweisen schon Erfahrung haben.
Unkonventionell war sie auf jeden Fall, die Französin Thérèse Peltier, die in den meisten Darstellungen als erste Passagierin in der Geschichte des Motorflugs gilt. Obwohl verheiratet und Mutter eines Sohnes, lebte sie in einer außerehelichen Beziehung mit dem Bildhauer und Flugpionier Léon Delagrange. Eine Beziehung, die sehr moderne Qualitäten gehabt haben muss. Thérèse wollte bildhauern, an Ausstellungen teilnehmen wie ihr Partner? Kein Problem für Léon, er unterstützte sie. Auch dass sie seine Leidenschaft für Flugzeuge teilte, fand er gut.
1908 reisten die beiden gemeinsam nach Italien, um dort Flugvorführungen zu geben, die damals große Zuschauermengen in den Bann zogen. Thérèse blieb am Boden und schrieb Berichte für die Zeitungen, aber am 8. Juli 1908 bat Léon sie zu sich auf den Pilotensitz und hob mit ihr gemeinsam ab. Das gab am nächsten Tag eine ziemlich gute Presse. Andere Flugshows machten es bald nach: Passagierflug mit Dame, da war Aufmerksamkeit garantiert.
Für Thérèse war es aber mehr als ein Publicity-Gag. Unbeschreiblich süß und mild sei das Fliegen, schrieb sie an ihren Sohn, so wie im Traum, so fühle es sich an.
Absturz
Thérèse wollte mehr sein als ein schmückendes Accessoire, sie wollte selbst Pilotin werden. Léon erteilte ihr bereitwillig Flugstunden. Fotos zeigen die beiden einträchtig nebeneinander im Flugzeug, sie die Hände am Steuer, mit Männermütze auf dem Kopf. Es gibt auch Fotos, da sitzt sie allein im Flugzeug, und man darf annehmen, dass sie auch abgehoben ist. Das gehörte zur Ausbildung damals recht bald dazu.
Den Pilotenschein hat sie aber nie gemacht. Der Absturz ihres Lebensgefährten verhinderte das. Thérèse sah hilflos zu, wie man Léon im Januar 1910 tot aus den Trümmern seiner Maschine barg. Bei der Beerdigung in der Kathedrale von Orleans stand sie als illegitime Geliebte tief verschleiert abseits in einer Nische. Thérèse hat nie wieder ein Flugzeug bestiegen. Den ersten Pilotenschein machte eine andere Frau, noch im selben Jahr.