Die Regeln des "Frankenburger Würfelspiels" waren sadistisch. Während des Dreißigjährigen Kriegs musste am 15. Mai 1625 die Bevölkerung des protestantischen Frankenburg um ihr Leben spielen.
Ein freundlicher Maitag. Ein alter Lindenbaum voller Vogelgezwitscher. Darunter knien zwei Männer, jeder mit einem Würfelspiel in der Hand. Der schwarze Mantel, der unter den Männern ausgebreitet ist, will nicht so recht ins Bild dieser frühlingshaften Idylle passen. Genauso wenig wie die Todesangst in ihren Augen. Ein Herr hoch zu Ross beäugt die Szene aus nächster Nähe. Adam Graf von Herberstorff juckt es in den Fingern. Gern würde er sich jetzt nervös am Spitzbart zupfen, doch er bewahrt Haltung: die rechte Hand am Zügel, die Linke stolz in die Seite gestemmt.
Es sind die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs. Das oberösterreichische Frankenburg ist zwischen die Fronten geraten. Der Habsburger Kaiser hat es an den Wittelsbacher Maximilian verpfändet, und der greift jetzt durch - oder besser gesagt lässt durchgreifen in Gestalt von Graf Adam von Herberstorff. Die protestantische Pfarrei Frankenburg soll wieder katholisch werden, doch die Bevölkerung wehrt sich mit Zähnen und Klauen. Den neu eingesetzten katholischen Pfarrer haben sie verprügelt und aus der Stadt gejagt, um danach drei Tage lang das Schloss Frankenburg zu belagern. So viel aufrührerischer Geist muss bestraft werden.
Ein Spiel um Leben und Tod
Aber Adam Graf von Herberstorff will die Aufständischen nicht nur bestrafen, er will sie brechen. Deshalb hat er sie hier an diesem 15. Mai 1625 um drei Uhr nachmittags auf dem Haushamerfeld bei der alten Linde zusammengerufen. Vom Bauern bis zum Knecht hat jeder zu erscheinen, der auf Gnade hofft. Nun steht die Menge um die alte Linde versammelt. Graf von Herberstorff blickt mit sadistischem Vergnügen in die entsetzten Gesichter. Wie schnell sie alle in ihrem Kampfgeist einknickten, als sie den Statthalter und seine Streitmacht sahen! Wie die Lämmer knieten sie nieder. Doch Lippenbekenntnisse reichen dem Grafen nicht. Er ist ein schlauer Fuchs.
Auch wenn die Rädelsführer des Aufstands geflohen sind, gibt es ja noch die Gemeindevertreter, Ortsrichter und Ratsmitglieder und an ihnen will der Statthalter jetzt sein teuflisches Exempel statuieren, das als Frankenburger Würfelspiel in die düstere Geschichte des Dreißigjährigen Krieges eingehen wird. Der Graf will aus einer eingeschworenen Gemeinschaft Rivalen um Leben und Tod machen. 34 Frankenberger sollen würfeln. Wer gewinnt ist frei - wer verliert wird gehängt.
Die Würfel sind gefallen
Herberstorff zittert als die Würfel fallen. Ob vor Genugtuung oder vor heimlichem Entsetzen weiß er selbst nicht recht. Der Henker ergreift den Verlierer, fesselt ihn und legt ihm die Schlinge um den Hals. Der Gewinner bleibt wie benommen auf dem schwarzen Mantel sitzen. Der Graf lächelt. Er glaubt in den entsetzten Augen der Überlebenden ihren gebrochenen Willen zu erkennen. Doch er irrt sich. Fast auf den Tag genau ein Jahr später wird ihr Hass auf die Obrigkeit in einem blutigen Bauernkrieg gipfeln.