Ludwig van Beethoven führte im alten Europa ein Leben in Saus und Braus, allerdings ohne Geld und handelte sich dafür am 1. Mai 1872 einen Haftbefehl ein. Was nun? Da kam ihm doch noch eine Idee.
Es gibt Leute, die reisen ins Ausland und führen dort große Namen. Nennen sich Rockefeller und sind in Wahrheit bloß der Abkömmling eines kleinen Chiemgauer Häuslmalers. Bei unserem Mann war das genau andersrum. Er hat seinen in aller Welt berühmten Geburtsnamen verleugnet, weil er ihm zu auffällig war. Es war nämlich in seinem Leben anfangs einiges schiefgegangen. Ein Hochstapler und Zechpreller war er gewesen. Hatte ein feudales Leben als "Baron" geführt, mit Stadtwohnung in München und einem Landsitz außerhalb. Hatte reiche Leute angepumpt und sie dann auf später vertröstet. Sogar der bayerische König Ludwig II. hatte ihm aus der Kabinettskasse über tausend Gulden zugesteckt. Und das alles bloß wegen seines berühmten Namens. Unser Mann hieß: "Ludwig van Beethoven". Der Name war nicht erfunden. Er hieß wirklich so. Ludwig Johann van Beethoven - den Johann ließ er meistens weg - war der Großneffe des Komponisten, der Sohn des missratenen Neffen Karl van Beethoven, der seinem berühmten Onkel damals so viel Ärger und Sorge bereitet hat.
Betrug und Unterschlagung
Zur Welt gekommen ist Ludwig Johann van Beethoven in Wien, im März 1839. Bei der Taufe hat man ihm die Vornamen seiner beiden Großonkel gegeben. Als er 29 war, kam er mit seiner Gattin nach München und führte sein Leben weiter, wie er es aus Wien gewöhnt war: in Saus und Braus und ohne Verdienst. So etwas geht natürlich nicht lange gut. Am 1. Mai 1872 ergeht ein Haftbefehl gegen die beiden Privatiersehegatten Ludwig und Maria van Beethoven, zwei Monate später werden sie wegen Betrugs und Unterschlagung - respektive Mithilfe dazu - verurteilt: Ludwig zu vier Jahren, seine Frau zu sechs Monaten Gefängnis.
Allerdings hat man die Strafe nicht vollstrecken können, denn die beiden waren gar nicht mehr da. Im Jahr davor schon war ihnen die Sache zu heiß geworden, und sie hatten sich mitsamt ihrem kleinen Sohn abgesetzt. Per Schiff, nach Amerika. Das unternehmerische Klima dort scheint unserem Ludwig bessere Möglichkeiten geboten zu haben als das geburtsaristokratische der Alten Welt.
Die Pianistin und der Dienstmann
Erst einmal ging seine Frau, die eine ausgezeichnete Pianistin war, auf Konzertreise, er fungierte als ihr Impresario. Und dann hatte er die Idee zu einem eigenen Geschäft. In den Städten der Alten Welt hatte er etwas kennengelernt, das es in der Neuen Welt nicht gab: das Dienstmannwesen. Vor Bahnhöfen und Hotels und auf belebten Plätzen standen Männer in schmucker Uniform und boten ihre Dienste an. Erledigten Botengänge, beförderten Koffer, besorgten Handwerker oder brachten schönen Damen Blumen in die Wohnung. Das sollte auch in Amerika funktionieren, dachte sich Ludwig van Beethoven. Er lieh sich Geld und zog sein eigenes Dienstmann-Unternehmen auf, erst in Chicago, danach in einigen anderen Städten.
Und siehe da: die Sache florierte, und der Familie ging es gut. Bloß seinen berühmten Namen, den hat Ludwig van Beethoven vor der Geschäftsgründung schnell noch abgelegt. Oben auf dem Briefpapier prangte jetzt sein neuer Name: "Louis von Hoven". Mit dem alten, so hat er in einem Brief nach Hause erklärt, wäre er "im günstigsten Falle aus dem Beantworten lästiger Fragen niemals herausgekommen". Von ungünstigeren Fällen, wie zum Beispiel einem bayerischen Haftbefehl, hat er nicht gesprochen.