Eine frisch gepflanzte Blumenzwiebel hat den Wert eines Hauses in Amsterdam, die Niederländer haben das Spekulieren mit Tulpen entdeckt. Doch am 7. Februar 1637 platzt die Blase, und die frischen Vermögen verblühen über Nacht.
Manche Momente im Leben könnten zum Weinen schön sein. Und dann ist es doch wieder zum Heulen. Typisches Beispiel: Die Sache mit dem Rosenverkäufer. Sie sitzen im Restaurant, im Café, im Bierstüberl mit dem heimlichen Geliebten, dem altbekannten Ehemann oder dem, der sich unlängst auf ihre Anzeige im Internet gemeldet hat. Just jetzt kommt der Rosenverkäufer herein. Wie reagiert Ihr Gegenüber? Er ignoriert! Sie lächeln freundlich gen Blumen, wimpernklimpern ein bisschen. Wähnt sich ihre Begleitung humorvoll, weist er darauf hin, dass diese Rosentypen alle gleich aussehen: Lederjacke, Jeans, gegelte Haare und aus Pakistan. Oder Indien. Oder Marokko. Auf jeden Fall genau wie die Panflötengruppe aus Peru in der Fußgängerzone. Die ist nachweislich auch geklont.
Männer mit Händchen für Blumen
Ist ihr Gesellschafter Ökonom, wird er darlegen, dass sie für die fünf Euro, die diese eine Rose kosten soll, im Discounter 25 Rosen kriegen. Und dass der arme Mann aus Pakistan, Indien oder Marokko in Jeans und Lederjacke von den fünf Euro für jede Blume eh nichts sieht. Vergessen sie den spontanen Einwand: Dann gib ihm halt zehn Euro - fünf für die Rose und fünf extra für drei warme Leberkassemmeln. Ihre Verabredung wird das als unfairen Charaktertest werten und noch beleidigter wird er sein, wenn sie ihm mit dem Anfang des 17. Jahrhunderts kommen.
Da hatten Männer noch ein Händchen für Blumen. Vor allem für Tulpen. Die Niederländer spezialisieren sich darauf. Sie sind gerade Kolonialmacht, besegeln die Welt, bauen Stützpunkte in Afrika und Asien, zelebrieren ihr sogenanntes "Goldenes Zeitalter", schlagen Pfeffer, Muskat, Curry um - und Tulpenzwiebeln. Letztere sind lange Zeit nur erschwinglich für das gehobene Bürgertum, die Gelehrten, die Aristokratie. Tulpen sind klimabedingt anfällig für Krankheiten und Fäulnis. Bis zur ersten Blüte dauert es in der Regel sechs bis neun Jahre.
Trotzdem oder gerade deshalb werden Tulpen zur begehrten Spekulationsware. Vom ärmsten Arbeiter bis zum betuchtesten Fabrikbesitzer machen bald ziemlich alle in Tulpen. Was die Türken und Perser in punkto Kultivierung schon seit Dekaden wissen, eignen sich die Niederländer an. Und verfeinern die Sorten. Die Tulpe avanciert zum Liebhaberstück wie zum Forschungsobjekt. Wer nicht Tulpenzüchter ist, wird Tulpenhändler. Oder Tulpenwissenschaftler, also botanisch versierter Tulpenkritiker. Oder er malt Tulpen.
Rette sich, wer kann
Der Tulpenhandel treibt bizarre Blüten. Börsen- und Terminkontrakte werden schon auf Setzlinge unter der Erde abgeschlossen. Wie die Blumen nachher aussehen? Ob sie überhaupt gedeihen? Den Spekulanten ist das einerlei. Sie stacheln sich gegenseitig an zu immer kühneren Investitionen. Reichlich Gewinn ist drin. Für eine Zwiebel der Sorte Viceroy gibt es im Tausch vier fette Ochsen, 500 Kilo Käse oder einen maßgeschneiderten Anzug. Eine frisch gepflanzte "Semper Augustus" hat schließlich den Wert eines vornehmen Stadthauses in Amsterdam. Allerdings plötzlich nicht mehr. Am 7. Februar 1637 platzt die Spekulationsblase. Unerwartet. Die Kurse kollabieren über Nacht. Die Käufer bleiben aus. Von heute auf morgen fällt der Wert von Tulpen um 95 Prozent. Damit hat keiner gerechnet. Die Politik versucht zu retten was zu retten ist. Doch zu viele haben sich in zu kurzer Zeit zu sehr verstiegen. Hollands Tulpenmanie ist vorbei.
Nicht jedoch die Liebe zur Blume, denn dafür sind die Niederländer bis heute bekannt. Anders übrigens als die deutschen Herren, die in Panik geraten, wenn der Rosenverkäufer mal wieder hereinkommt zur Tür - im Restaurant, in der Bar, im Bierstüberl.