Isaac Newton - einer der bedeutendsten Wissenschaftler aller Zeiten. Aber nicht wegen seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde er zum Ritter geschlagen. Autor: Hellmuth Nordwig
Ehrfürchtig kniet der große Wissenschaftler vor der Monarchin nieder. Die nimmt das bereit liegende Schwert und berührt mit der Klinge erst die linke, dann die rechte Schulter ihres Untertanen. Dank dieses Rituals wird der zum Ritter des Königreichs geadelt und darf sich fortan Sir Isaac nennen. So wie gut drei Jahrhunderte später der Musiker Sir Ringo und der Fußballspieler Sir David.
Der einsame Ritter
An diesem 16. April 1705 kreuzen sich in Cambridge die Lebenswege zweier hoch angesehener Persönlichkeiten: Anne Stuart, Königin von England, und Isaac Newton, Präsident der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Doch Ruhm allein macht bekanntlich nicht glücklich. Und so schlägt im Trinity College eine vom Schicksal gebeutelte Herrscherin einen unverträglichen Einzelgänger zum Ritter von der traurigen Gestalt.
Zweifellos ist dieser Isaac Newton ein genialer Gelehrter: Der größte Mathematiker seiner Zeit und Begründer der Infinitesimalrechnung, die noch heute viele Abiturienten verzweifeln lässt. Entdecker der Schwerkraft, die auf fallende Äpfel ebenso einwirkt wie auf die Gestirne am Himmel. Nicht zuletzt einer der Begründer der Optik: Dass weißes Licht aus bunten Spektralfarben zusammengesetzt ist, findet Newton ebenso heraus wie die Gesetze der Lichtbrechung. Und er kann all das in Formeln fassen, die bis heute gültig sind.
Doch es gibt noch einen anderen Newton. Den, der seinen Vater nie kennengelernt hat und von dem auch die Mutter in seinem ersten Lebensjahrzehnt nichts wissen will. Genauso hart ist später Isaac selbst zu allen, die ihn kritisieren, zum Beispiel wegen seiner Neigung, hemmungslos bei anderen Forschern abzukupfern. Die Liste derer, mit denen er im Streit liegt, ist ein "Who is who" der damaligen Wissenschaft. Freunde hat Newton kaum.
Dieser Mann also kniet nun im College, das so düster ist wie seine Seele, vor der Königin von England. Anne weiß da längst, dass sie die letzte Herrscherin aus dem Hause der Stuarts sein wird. Siebzehn Mal war sie schwanger, in nur sechzehn Jahren. Überlebt hat keines der Kinder. Das hat nicht nur in ihrem Gemüt Spuren hinterlassen. Schon bei der Krönung drei Jahre zuvor konnten die Hofschneider ihren fülligen Leib nur mit Mühe in ein angemessenes Gewand kleiden. Und eine schmerzhafte Gicht macht ihr das Gehen unmöglich. Anne wird in einer Sänfte getragen.
Sir des Wahlkreises
Nach Cambridge ist sie nicht gekommen, weil ein berühmter Wissenschaftler endlich die längst verdiente Ehrung erhalten soll. Anne steckt vielmehr in konfessionellen und politischen Ränkespielen fest. Wahlen stehen bevor, und ihr mächtiger Schatzkanzler Charles Montagu fürchtet, dass seine Gegner, die Tories, gewinnen würden. Die Mehrheiten sind knapp, und es kommt auf jeden Wahlkreis an. Auch auf den der Universität von Cambridge. Dort kandidiert ein aussichtsreicher Tory gegen Newton, der schon zuvor zwei Mal Abgeordneter war. Da zieht Montagu den letzten Trumpf: Ein Ritterschlag für Newton soll das Blatt wenden und die Wähler günstig stimmen. Die Königin spielt mit, doch die Rechnung geht nicht auf. Newton ist längst mit zu vielen Menschen zerstritten. Unter den fünf Kandidaten landet Sir Isaac bei der Wahl auf dem letzten Platz.