Der Tag der Muttersprache nimmt Bezug auf den 21. Februar 1952. Damals fand in Ost-Pakistan, eine Demonstration gegen den Regierungsbeschluss der Regierung statt, die Sprache Urdu zur Amtssprache zu erheben. Autorin: Julia Zöller
Wenn Sie demnächst mal wieder am Flughafen Düsseldorf einchecken, schauen Sie sich nach Michal Perlinski um, Typ Student mit Brille, Polohemd und Seitenscheitel. Michal arbeitet dort im Duty-Free-Shop und hat es schon bis in die Flughafenzeitschrift und ins Fernsehen geschafft, weil er rund 30 Sprachen spricht; neben Standards wie spanisch, englisch und niederländisch auch russisch, dänisch oder slowakisch. Regelmäßig besorgt sich Michal neue Wörterbücher, liest zweimal die Vokabeln und legt los.
Wer spricht Urdu?
Alle anderen staunen, stopseln, pauken und verzweifeln. Jahre dauert es bis neue Sätze auch nur halb so vertraut sind wie die Muttersprache. Die bleibt die Sprache der Träume – und die für die großen Gefühle.
Fast niemand ist eben ein sprechendes Wörterbuch, und weil Menschen ihre Sprache nicht wechseln können wie Unterhosen, scheitern auch Versuche Völkern neue Sprachen zu verordnen – auch wenn es politisch gewollt ist.
Urdu zum Beispiel, sprechen in Pakistan nur wenige Mütter mit ihrem Kind – genauer: 8 Prozent. Dabei ist Urdu die offizielle Landessprache. Pakistanische Babys lernen Punjabi, das sind die indischen Einflüsse. Oder Sindhi, Saraiki vielleicht noch Pashtu, bei den Paschtunen. Englisch ja sowieso. Urdu? Ja, als Vehikel, damit sich alle untereinander irgendwie verständigen können.
Das mit dem Urdu haben sich Politiker ausgedacht. 1947, als Pakistan gerade neu aus dem Kolonialreich Britisch-Indien geschnitzt wurde, eine komplizierte Geburt: Ein Land – zwei Landesteile. Ost-Pakistan auf der einen Seite Indiens, und 1500 Kilometer weiter noch einmal West-Pakistan. Babylonisches Sprachgewirr, Religionen, Kulturen: Aber Urdu, befand Staatsgründer Muhammad Ali Jinnah, die Hochsprache, sollte alle einen. Nur noch Urdu! befand Jinnah, starb kurz darauf, und vererbte seinen Nachfolgern ein Sprachproblem. Denn die Motivation der frisch gebackenen Pakistaner nun Urdu zu lernen, hielt sich untertrieben gesagt in Grenzen.
Kampf um eine Sprache
Im Osten Pakistans gingen Studenten und Intellektuelle auf die Straße, demonstrierten gegen das fremde Urdu und für ihre Muttersprache Bengali. Ohne Erfolg. Nur Urdu! Als die junge Leute für den 21. Februar 1952 in Dhaka wieder zu Demonstrationen aufrufen, verhängt die Regierung ein Ausgangsverbot. An diesem sonnigen Tag kreisen Polizisten die weiß gekleideten Studenten ein. In dem Durcheinander wird scharf geschossen, mehrere Männer sterben im Kampf um eine Sprache oder – wie sie dort sagen - als Märtyrer. Ost-Pakistan ist heute Bangladesh, die Sprache: Bengali. Der 21. Februar ist in Bangladesh ein Feiertag, und seit dem Jahr 2000 sogar weltweit der "Tag der Muttersprache" , ausgerufen von den Vereinten Nationen.