Rossinis "Barbier von Sevilla" gilt als eine besten und auch berühmtesten komischen Opern. Die Uraufführung jedoch war ein handfester Skandal. Autor: Markus Vanhoefer
Die Premiere der Oper war ein Debakel, die Ausschreitungen des Publikums so massiv, dass der verschreckte Komponist sich krank meldete. Aus Angst, während einer zweiten Aufführung, zu deren Leitung er eigentlich vertraglich verpflichtet war, dem Zorn der Zuschauer zum Opfer zu fallen. Die tumultartigen Szenen, die sich an jenen 20. Februar 1816 im römischen Teatro Argentina abspielten, müssen dramatisch gewesen sein. Es war ein im wahrsten Sinn des Wortes "handfester" Skandal, inklusive Raufereien, einem Pfeif-Konzert und Spottgesängen.
Königsmord
Die erbarmungslose Wut der fanatisierten Theaterfreunde richtete sich dabei weitaus weniger gegen die Qualität der Partitur oder die Leistung der Sänger, sondern gegen das Stück als solches. Madonna! Was für ein Frevel! Da hatte es ein 24- jähriger Schnösel, ein gewisser Gioacchino Rossini aus Pesaro, doch gewagt, ein populäres Lustspiel in Töne zu setzen, das bereits lange vor ihm der hochberühmte Giovanni Paisiello in unvergleichlicher Art und Weise in Töne gesetzt hatte.
Paisiellos "Barbier von Sevilla" galt als epochales Werk. Seine Anhänger verehrten den greisenhaften Maestro als "ungekrönten König der Opera buffa". Ihn zu kopieren - und sei es nur in der Wahl des Sujets - war in den Augen der Paisiellisten ein Verbrechen wie Königsmord.
Alles wegen eines Friseurs
Die Geschichte von Rossinis "Barbier von Sevilla" beginnt etwa zwei Monate vor dem Premieren- Desaster. Am 15. Dezember 1815 erhält der junge Gioacchino den Auftrag, eine Karnevalsoper für das Teatro Argentina zu verfassen. Ein Aufführungstermin wird festgelegt, ein Libretto existiert dagegen noch nicht. Deshalb sind die Konflikte, die das betreffende Stück auslösen wird, zu diesem Zeitpunkt alles andere als absehbar.
Die Suche nach einem geeigneten Text erweist sich aufgrund der römischen Zensur als überraschend kompliziert. Als die Zeit drängt, einigt man sich auf eine Erfolgskomödie des geistreichen französischen Rokoko-Filous Pierre Augustin Caron de Beaumarchais. Ihr Titel: "Le Barbier de Seville".
Der päpstliche Kurienbeamte Cesare Sterbini übernimmt die Aufgabe, die literarische Vorlage für den Operngebrauch umzuarbeiten. Rossini schreibt sein Friseur-Oeuvre in atemberaubender Geschwindigkeit. Nach eigenen Angaben in 13 Tagen, wahrscheinlich waren es jedoch ein paar mehr. Dass er dabei mitunter auf ältere eigene Kompositionen zurückgreift, zum Beispiel auf die Ouvertüre zu "Aureliano in Palmira", schmälert die Leistung des Hochtalentierten in keiner Weise.
Doch dann bekommen die Verantwortlichen kalte Füße, die Parallelen zu Paisiello sind zu brisant, deshalb ändern sie den Titel und veröffentlichen Artikel, in dem sie die Eigenständigkeit der neuen Oper betonen.
Die Bemühungen sind vergeblich. Obwohl Rossinis "Barbier von Sevilla" zum ersten Mal als “Almaviva o sia L’inutile precauzione“ über die Bühne geht, entfacht das Werk einen Eklat.