Zweyte Scene.
Cassio tritt auf.
Jago. Wo kommt ihr her, Cassio?
Cassio. Was giebt's hier?
Jago. Der General ist von dem fallenden Weh überfallen worden; das ist nun der zweyte Anstoß; er hatte gestern den ersten.
Cassio. Reibt ihn um die Schläfe.
Jago. Nein, rührt ihn nicht an; man muß der Ohnmacht ihren ruhigen Gang lassen; oder, er fängt an zu schäumen, und bricht endlich völlig in die wildeste Tobsucht aus: Seht, er rührt sich; entfernt euch ein wenig, er wird gleich wieder zu sich selbst kommen; wenn er weg ist, so möcht' ich über eine Sache von grosser Wichtigkeit mit euch sprechen können. (Cassio geht ab.) Wie steht's mit euch, Gnädiger Herr? Habt ihr den Kopf nicht angeschlagen?
Othello. Spottest du meiner noch?
Jago. Ich spotte, beym Himmel! nicht; aber ich wünschte, daß ihr euer Unglük wie ein Mann trüget.
Othello. Ein gehörnter Mann ist ein Ungeheuer; ein Unthier.
Jago. Wenn das ist, so giebt es in volkreichen Städten eine Menge Ungeheuer, und dazu noch recht zahme und manierliche Ungeheuer.
Othello. Er gestand's also selbst?
Jago. Liebster General, seyd ein Mann! denkt, es sind wenige bärtige Gesellen, die, wenn sie anders bejocht sind, nicht mit euch ziehen. Millionen Männer leben diesen Augenblik, die alle Nacht in einem Bette ligen, das sie mit andern theilen; und die doch schwüren, daß es ihnen eigen sey. Euer Fall ist doch noch besser. O, das ist des Teufels gröster Spaß, eine unzüchtige Meze in ein sichres Ehe-Bette zu legen, und sie für ein Tugendbild zu geben. Nein, besser ist's ich wisse's; wenn ich weiß, was ich bin, so weiß ich auch, was sie seyn soll.
Othello. O, du sprichst wie ein Orakel; das ist gewiß.
Jago. Geht nur eine kleine Weile bey Seite, verbergt euch, und habt ein wenig Geduld. Während daß ihr hier von euerm Schmerz so unmännlich überwältigt laget, kam Cassio hieher. Ich erdachte gleich etwas, um eurer Ohnmacht eine scheinbare Ursache zu geben, und schaffte ihn wieder weg, bat ihn aber bald wieder zu kommen, weil ich mit ihm zu reden hätte. Er versprach mir's. Verbergt euch also nur irgendwo, wo ihr ihn sehen könnt; und beobachtet das schelmische, triumphierende Lächeln, die hönische Züge, die sichtbare Leichtfertigkeit, die sein Geheimniß in seinem ganzen Gesicht verrathen. Denn er soll mir seine Erzählung wieder von vorn anfangen; wo, wie, wie oft, seit wie lange, und wenn er mit eurer Frau handgemein worden ist, und es noch ferner werden will; ich sage, gebt nur auf seine Mine Acht Ozum Henker, Geduld, oder ich muß endlich glauben, ihr seyd über und über lauter Galle, und habt nicht das mindeste von einem Mann.
Othello. Hörst du, Jago! Ich will dir zeigen, daß ich so lange geduldig scheinen kan, als es nöthig ist; aber eine blutige Rache soll mich davor schadlos halten.
Jago. Es läßt sich hören; aber nur alles zu rechter Zeit. Wollt ihr bey Seite gehen? (Othello verbirgt sich.) (- – Jago, ohne daß ihn Othello hören kan, fährt fort:) Nun will ich den Cassio nach seiner Bianca fragen, einem Weibsbild, das seine Reizungen verkauft, um sich Brod und Kleider davor anzuschaffen. Die Närrin ist sterblich in Cassio verliebt, und zur Straffe davor, daß sie schon so viele betrogen hat, wird sie izt von ihm betrogen; denn er kan sich, wenn er nur von ihr reden hört, des überlauten Lachens nicht verwehren. Da kommt er.
Dritte Scene.
Cassio (zu Jago.)
Jago. Je mehr er lachen wird, je mehr wird Othello rasen; sein Lächeln, seine Gebehrden, seine leichtsinnigen Manieren, seine kleinsten Bewegungen, werden durch die Auslegung, die der eifersüchtige Mohr davon macht, zu Verräthern an ihm werden Nun, wie geht's euch, Lieutenant?
Cassio. Desto schlimmer, weil ihr mir einen Charakter beylegt, dessen Beraubung mir das Leben zur Quaal macht.
Jago. Macht euch nur recht lebhaft an Desdemona, so kan's euch nicht fehlen. (leiser.) Gelt, wenn Bianca die Gewalt dazu hätte, wie schnell würdet ihr wieder hergestellt seyn.
Cassio (lachend.)
Wie kommt ihr auf diese arme Närrin?
Othello (vor sich.)
Seht, wie er schon lacht.
Jago. In meinem Leben hab' ich kein Weibsbild so verliebt in einen Mann gesehen.
Cassio. Der arme Tropf, ich denke, in der That, sie ist in mich verliebt.
Othello (vor sich.)
Izt läugnet er's so ganz kaltsinnig, und lacht hinten nach.
Jago. Hört ihr, Cassio?
Othello (vor sich)
Izt sezt er ihm zu, es ihm zu gestehen: Gut, gut, nur weiter!
Jago. Sie giebt aus, ihr wollt sie heurathen. Ist das eure Absicht?
Cassio. Ha, ha, ha!
Othello. Triumphierest du, Schurke? Triumphierest du?
Cassio. Ich, sie heurathen? Eine barmherzige Schwester? Ich bitte dich, erweise meiner Vernunft so viel Christliche Liebe, und glaube etwas bessers von ihr. Ha, ha, ha!
Othello (vor sich.)
So, so: Wer gewinnt, hat gut lachen.
Jago. In der That, die Rede geht, ihr werdet sie heurathen.
Cassio. Ich bitte dich, redst du im Ernst?
Jago. Ich will ein Schelm seyn, wenn es anderst ist.
Othello (vor sich.)
Hast du mein Maß genommen? Nun, wohl dann!
Cassio. Wenn das ist, so kommt es von dem Affen selbst. Sie hat sich's in den Kopf gesezt, daß ich sie heurathen werde, und das bloß, weil sie es wünscht, und nicht, weil ich ihr's versprochen hätte.
Othello. Izt fängt er die Historie an
Cassio. Sie war erst kürzlich hier; sie spükt mir nach, wo ich hingehe. Ich war neulich am Ufer, und sprach mit etlichen Venetianerinnen, da kommt die Närrin, und fällt mir so zärtlich um den Hals
Othello (bey Seite.)
Und ruft, o du allerliebstes Cassio, oder so was; seine Gebehrden sagen das.
Cassio. Hängt sich so an, und herzt und küßt mich, und weint auf mich, und schüttelt und drükt mich, so abscheulich zärtlich Ha, ha, ha!
Othello. Izt erzählt er, wie sie ihn in mein Schlafzimmer gezogen habe: O, ich sehe deine aufgestülpte Nase vor mir, aber ich seh' den Hund nicht, dem ich sie vorwerfen will.
Cassio. Gut, ich kan mich nicht länger hier aufhalten.
Jago. Wie es euch beliebt Aber da kommt sie ja selbst.
Vierte Scene.
Bianca zu den Vorigen.
Cassio. Was das für eine Meer-Kaze ist! Zum Henker, und sie riecht noch dazu nach Biesam: Was soll denn das bedeuten, daß ihr mir so nachlauft?
Bianca. Das mag der Teufel und seine Großmutter thun! Sagt mir einmal, was wolltet ihr mit dem Schnupftuch, das ihr mir vorhin gegeben habt? Ich war wol eine grosse Närrin, daß ich's annahm: Ich sollte die Arbeit absehen? Ein feines Stük Arbeit, daß ihr in euerm Schlafzimmer gefunden habt, und wißt nicht, wer es da verlohren haben mag. Ich will nicht ehrlich seyn, wenn es nicht ein Geschenk von irgend einer ehrsamen Matrone ist; und ich soll die Arbeit dran absehen? Da, gebt es euerm Steken-Pferde: Woher ihr's auch haben mögt, ich will nichts daran absehen, ich.
Cassio. Nun, nun, meine schöne Bianca, sachte, sachte!
Othello (bey Seite.)
Beym Himmel, das wird wohl mein Schnupftuch seyn.
Bianca. Wenn ihr heute zu mir zum Nachtessen kommen wollt, so könnt ihr; wo nicht, so kommt nicht eher als bis man Anstalten auf euch gemacht hat.
(Sie geht ab.)
Jago. Lauft ihr nach, lauft ihr nach.
Cassio. Das muß ich, sonst fangt sie auf der Strasse einen Lermen an.
Jago. Wollt ihr bey ihr zu Nacht essen?
Cassio. Ja, ich hab es im Sinn.
Jago. Gut, vielleicht seh ich euch dort; denn ich möchte sehr gern mit euch reden.
Cassio. Ich bitt euch, kommt; wollt ihr
Jago. Verlaßt euch darauf