Wo die Quelle für die gefährlichen EHEC-Infektionen liegt, ist weiter völlig unklar. Die Folgen - auch die wirtschaftlichen - werden indes immer weitreichender. Russland weitete sein Importverbot für Gemüse massiv aus. Bislang galt es nur für frisches Gemüse aus Deutschland und Spanien, ab sofort verbietet Russland Gemüse-Importe aus der gesamten EU.
Grund für die Verschärfung sei die andauernde Ausbreitung des Darmkeims, sagte Russlands oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko nach Angaben der Agentur Interfax. Der Zoll sei angewiesen, kein frisches Gemüse mehr über die Grenzen zu lassen. Alle verdächtigen Waren seien zudem aus dem Handel zu nehmen, sagte Onischtschenko.
Emirate verbieten Einfuhr von Gurken aus vier Ländern
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verhängten einen vorübergehenden Importstopp. Er gilt allerdings gezielt nur für Gurken aus Deutschland, Spanien, Dänemark und den Niederlanden. Die amtliche Nachrichtenagentur WAM berichtete, das Ministerium für Umwelt und Wasser habe das Einfuhrverbot gestern verhängt. Grundlage dafür seien Informationen "von internationalen Behörden für Nahrungsmittelsicherheit und Medienberichte". Die Weltgesundheitsorganisation WHO teilt auf ihrer Homepage allerdings mit, sie empfehle derzeit keine Handelsbeschränkungen.
Russisches Importverbot dürfte sich deutlich bemerkbar machen
Das Importverbot Russlands dürfte sich deutlich bemerkbar machen, denn das Land importiert wegen der mangelnden Eigenversorgung viele Lebensmittel aus der EU. Die EU kritisierte das Vorgehen Russlands als "unverhältnismäßig". "Wir verlangen von Russland eine Erklärung", sagte der Sprecher von EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Man stehe mit den russischen Behörden in engem Kontakt.
EU hebt Warnung vor Gurken aus Spanien auf
Kurz zuvor hatte die EU-Kommission die europaweite Warnung vor spanischen Gurken im Zusammenhang mit dem lebensgefährlichen Darmkeim EHEC aufgehoben. "Die jüngsten Ergebnisse haben gezeigt, dass das spanische Gemüse nicht verantwortlich für den Ausbruch von EHEC in Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten ist", teile die EU mit. Das Institut für Risikobewertung (BfR) in Berlin hatte zuvor mitgeteilt, dass die Erreger auf verdächtigen spanischen Gurken nicht mit dem für den derzeitigen Ausbruch verantwortlichen Keim-Typ übereinstimmten.
Spanien will wegen der Warnung Schadenersatz verlangen. Sein Land werde "vor den relevanten Behörden in Europa Entschädigungen für den entstandenen Schaden fordern", sagte Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero im spanischen Rundfunk. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba hatte gestern gesagt, Spanien erwäge rechtliche Schritte gegen die Hamburger Behörden. Die Hamburger Gesundheitsbehörde hatte vergangene Woche mitgeteilt, das Hygiene-Institut der Hansestadt habe den EHEC-Keim auf drei Salatgurken aus Spanien sowie einer Gurke ungeklärter Herkunft entdeckt. Dies war Grundlage der Warnung.
Merkel telefoniert mit Zapatero
Zapatero benannte nicht ausdrücklich, gegen wen sich die Schadensersatzforderungen richten könnten. In einem Telefonat mit Zapatero verteidigte Kanzlerin Angela Merkel das Vorgehen der deutschen Behörden. Sie seien verpflichtet, die Bürger zu informieren und die Ergebnisse der Untersuchungen an das europäische Schnellwarnsystem zu übermitteln. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert vereinbarten Merkel und Zapatero, sich auf europäischer Ebene um Hilfen für die betroffenen Bauern zu bemühen.
Bauernverband: Betriebe vor dem Ruin
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, forderte erneut Hilfen von EU und Bundesregierung für die Gemüsebauern. "Wir rechnen für die deutschen Landwirte wöchentlich mit 30 Millionen Euro Schaden", sagte Sonnleitner im EinsExtra-Interview. Für Betriebe, die sich etwa auf Gurken oder Salat spezialisiert hätten, könne dies existenzbedrohend sein. Der Bauernpräsident kritisierte das Krisenmanagement der Behörden: Die Informationspolitik habe sich "zu einseitig auf Gurken, Tomaten und Salat beschränkt", statt aufzuklären, dass es auch andere Übertragunsgwege gebe, so Sonnleitner.
EU-Gesundheitskommissar Dalli hält Entschädigungen generell für denkbar. Auch EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat angekündigt, rechtliche Möglichkeiten für Kompensationen betroffener Landwirte auszuloten.
Was bedeutet EHEC, HUS und O104?:
EHEC-Keime sind eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli. Das natürliche Reservoir der Bakterien ist der Darm von Wiederkäuern, speziell von Rindern. Beim derzeit grassierenden EHEC-Erreger handelt es sich nach Laboruntersuchungen vermutlich um den E. coli Typ O104. Die Keime werden durch Kontakt mit Tierkot, über kontaminierte Lebensmittel oder auch von Mensch zu Mensch übertragen.
Eine EHEC-Infektion führt zu Durchfällen, die auch blutig sein können. Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Bauchschmerzen. Bei besonders schweren Verläufen der Infektion kommt es zu einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das zu einer schweren Nierenschädigung und sogar zum Tode führen kann.
Das Robert Koch-Institut hat seit Einführung der Meldepflicht 1998 in Deutschland jährlich rund 1000 EHEC-Erkrankungen und 60 HUS-Fälle registriert.