Wissenschaftlern der Uniklinik Münster ist nach eigenen Angaben ein Durchbruch in der EHEC-Forschung gelungen. Sie hätten einen Schnelltest zum Nachweis des Erregers entwickelt, teilte ein Sprecher der Universitätsklinik am Montagabend mit.
Mit Hilfe des molekularbiologischen Verfahrens sei es möglich, bereits kleinste Mengen von EHEC-Erregern innerhalb weniger Stunden auf die speziellen Eigenschaften des Ausbruchsstamms zu untersuchen. Konkret gehe es um vier Gene, die in ihrer Kombination für den EHEC-Erreger vom Typ HUSEC 041 einzigartig seien. Der Test könne in jedem molekularbiologischen Labor gemacht werden.
Einzelheiten wollen die Wissenschaftler im Tagesverlauf auf einer Pressekonferenz bekannt geben. Das Institut für Hygiene an der Uniklinik Münster ist das Konsiliarlabor für das Hämolytisch-Urämische-Syndrom (HUS) in Deutschland. Die Experten hatten unter Leitung des EHEC-Spezialisten Professor Helge Karch an dem Test gearbeitet.
Was bedeutet EHEC, HUS und O104?:
EHEC-Keime sind eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli. Natürliches Reservoir der Bakterien ist der Darm von Wiederkäuern, speziell von Rindern. Beim derzeit grassierenden EHEC-Erreger handelt es sich nach Laboruntersuchungen vermutlich um den E. coli Typ O104. Die Keime werden durch Kontakt mit Tierkot, über kontaminierte Lebensmittel oder auch von Mensch zu Mensch übertragen.
Eine EHEC-Infektion führt zu Durchfällen, die auch blutig sein können. Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Bauchschmerzen. Bei besonders schweren Verläufen der Infektion kommt es zu einem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das zu einer schweren Nierenschädigung und sogar zum Tode führen kann.
Das Robert Koch-Institut hat seit Einführung der Meldepflicht 1998 in Deutschland jährlich rund 1000 EHEC-Erkrankungen und 60 HUS-Fälle registriert.
"Weitere Todesfälle wahrscheinlich"
Besorgniserregend fiel das Fazit nach einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Behörden am Montag in Berlin aus. Demnach rechnen die Experten damit, dass sich der gefährliche EHEC-Durchfallerrreger weiter ausbreitet. Es gebe Anzeichen, dass die Infektionsquelle weiter aktiv sei, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Die Bürger sollten vorsichtig sein. "Es wird weiter mit Hochdruck an der Identifizierung der Quelle gearbeitet."
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, fand deutliche Worte: "Es sind auch keine weiteren Todesfälle auszuschließen, sondern eher wahrscheinlich." Ein Abschwächen der Welle erwarte er nicht. "Es geht weiter."
Eine zweite Studie habe erneut gezeigt, dass der Verzehr von rohem Gemüse in Norddeutschland ein erhöhtes Risiko berge, sagte der RKI-Chef. Entsprechende Warnungen blieben aufrechterhalten. "In dieser Woche wird sich zeigen, ob die Verzehrwarnung hilfreich war oder nicht." Grund sei die lange Zeit zwischen Infektion und Krankheitsausbruch. Der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Andreas Hensel, sprach von dem größten bislang bekannten EHEC-Ausbruch in Deutschland. Und: "Wir können bis zum heutigen Tage nicht sicher eine Infektionsquelle benennen." Auf mehreren Gurken spanischer Importe waren EHEC- Erreger festgestellt worden. Ob sie alleinige Quelle sein könnten, ist unklar.
Inzwischen breitet sich der Erreger in anderen europäischen Ländern aus, auch zwei US-Amerikaner sind erkrankt. In Deutschland sind bislang 14 Menschen an den Folgen der Infektion mit dem Darmbakterium EHEC gestorben - zwölf davon sind Frauen. Bundesweit sind knapp 1500 Menschen erkrankt. Bei mehr als 350 Patienten von ihnen wurde zudem das HUS (hämolytisch-urämische Sydrom) diagnostiziert. In Hamburg ist die Zahl der Neuinfektionen zwar etwas zurückgegangen, aber insgesamt gibt es keine Verringerung der Fallzahlen, wie das Robert-Koch-Institut mitteilte.
Erste Erfolge mit neuem Medikament
Hoffnung verbindet sich mit der neuartigen Therapie, die laut der Medizinischen Hochschule Hannover erfolgreich zu sein scheine. Seit Mittwoch wurden dort mehr als ein Dutzend Patienten mit dem Antikörper behandelt, das gegen akutes Nierenversagen wirken soll. Auch am Hamburger UKE wird Patienten das Medikament verabreicht, das zuvor an sich nur bei Kindern angewendet worden war. Verlässliche Aussagen über einen Erfolg, seien aber erst in einigen Wochen möglich. Das Mittel ist ein Antikörper mit der Bezeichnung Eculizumab.