„Taishan-Station, minus 49 Grad, Windstärke vier.”
„Xiamen, 32 Grad, sonnig.“
Es ist der frühe Morgen des 15. Juni. Zeng Yinggen schaut sich routinemäßig erst einmal die Wetterbedingungen an, eine Gewohnheit, die er in der Antarktis entwickelt hat. Es ist der 53. Tag nach seiner Rückkehr aus der Antarktis nach Xiamen. Zeng erklärt: „Im vergangenen Jahr um diese Zeit überwinterte ich noch in der Zhongshan-Station in der Antarktis. Die Polarnacht steht vor der Tür. Ich hoffe, mit meinen Kollegen dort ist alles in Ordnung!“
Der 33-Jährige wurde in einem Dorf in der Stadt Sanming in der südostchinesischen Provinz Fujian geboren. Als Kind reparierte er das von Zeit zu Zeit kaputt gegangene Fahrrad der Familie. Heutzutage sorgt er für die Instandhaltung von mehr als 30 Arten von Maschinen bei chinesischen Expeditionen in der Antarktis. „Als Kind bekam ich für die Reparatur des Fahrrades Belohnungen von meinen Eltern, jetzt trage ich als Mechaniker zu den Forschungsarbeiten meines Mutterlandes bei“, so Zeng.
Am 16. November 2018 um 19:28 Uhr postete Zeng Yinggen in seinen sozialen Medien: „Wir sehen uns im Jahr 2020 wieder, meine Brüder und Freunde!“ Dann brach er in die Antarktis auf. In den folgenden 525 Tagen teilte er zwölf weitere Posts. Er scherzte: „Die Internetgeschwindigkeit in der Antarktis ist genau wie die der Sonne, nur etwas langsamer als im Mutterland!“
Bevor er in die Antarktis aufbrach, war Zeng Yinggen ein bekannter Maschinenexperte in Xiamen. Nach seinem Abschluss an einer technischen Schule wurde er 2007 beim Unternehmen Xiagong Machinery angestellt und arbeitete jahrelang mit mehreren Tonnen schweren Radladern. Als er gerade in der Antarktis angekommen war, war er vor den zahlreichen unterschiedlichen Maschinen aus verschiedenen Ländern mit ihren jeweiligen Eigenschaften dennoch ein wenig verwirrt. Wie viele Komponenten hat die Maschine? Wie fließt das Öl? Wie wird die Verkabelung gesteuert? Wie kann man ein Problem beheben? Dies waren Fragen, die ihn auch beim Essen und Schlafen beschäftigten. Verschiedene Schaltpläne und mechanische Diagramme begleiteten ihn durch fast jede kalte Nacht in der Antarktis.
Die wissenschaftliche Expedition und die Versorgungsmission in der Antarktis erfordern 15 Stunden am Tag ununterbrochene Arbeit, wobei seltenes gutes Wetter ausgenutzt wird. Die ist die Routine der Mechaniker. In seinen 525 Tagen in der Antarktis hat Zeng Yinggen die Fahrzeuge über 100 Mal repariert, die Mitglieder des Forschungsteams mehr als 200 Mal zu Probenentnahmen gebracht und sie wieder abgeholt sowie über 1.700 Tonnen Versorgungsgüter entladen. Ihm zufolge gab es aber etwas Schwereres als seine Arbeit und die ganze Nacht wachzubleiben: das Gefühl von Einsamkeit und Isolation.
Während der Polarnacht konnte Zeng über 60 Tage lang keinen Sonnenaufgang sehen. Um gegen die Einsamkeit anzukämpfen, beobachtete er die Polarlichter und die Milchstraße. In der Taishan-Station, die im Landesinneren liegt, konnte er sich nur etwa alle zwei Wochen per Satellitentelefon bei seiner Familie melden. Selbst während der COVID-19-Epidemie konnte er sich nur durch die zwei oder drei Schlagzeilen in den Inlandsnachrichten, die in der Station ankamen, über die Entwicklung der Epidemie informieren.
Am 10. März 2020 verließ Zeng Yinggen die Antarktis. Er rasierte seinen Bart ab und bat seine Teamkollegen, ihm die Haare zu schneiden. Er stellte sich mit seinen Teamkollegen ein letztes Mal dem antarktischen Wind, um an der Flaggenzeremonie in der Antarktis teilzunehmen. Er erklärt, die 46 Sekunden der Nationalhymne und das Hissen der roten Fünf-Sterne-Flagge an diesem Tag seien schöner gewesen, als jedes Polarlicht, das er je gesehen habe.