Zu den von der Regierung angedachten Gegenmaßnahmen gehören unter anderem die Einführung von Eheberatungsstellen, so Zhang Shifeng, Direktor der Abteilung für Sozialordnung beim Ministerium für zivile Angelegenheiten. 2012 seien in China 3,1 Millionen Scheidungen beantragt worden – gegenüber dem Jahr 2003 ein Anstieg um 133 Prozent. Obwohl für 2013 noch keine aktuellen Daten vorliegen, geht er davon aus, dass die Zahl der Trennungen auch im letzten Jahr weiter angestiegen sei.
Du Huanghai, ein Anwalt für Familienrecht aus Shanghai, berichtet, dass der Großteil seiner Klienten aus Städten stammt und in den 1980er Jahren geboren wurde. Viele junge Paare, die jetzt in den Städten leben und zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, haben nicht die Geduld, sich an den Partner anzupassen und die notwendigen Kompromisse einzugehen, weswegen ihre Ehen meist in einem leicht zerbrechlichen Zustand sind.
In der Landeshauptstadt Beijing heirateten 2013 insgesamt 164.000 Paare – im gleichen Zeitraum gab es 55.000 Scheidungen. Allein zwischen 2011 und 2013 hat die Zahl der geschiedenen Ehen um 65 Prozent zugenommen.
In anderen chinesischen Metropolen, wie beispielsweise Tianjin und Shanghai, sieht die Tendenz ganz ähnlich aus. Außereheliche Affären, häusliche Gewalt und schlechte Kommunikation sind laut Anwalt Du Huanghai die Hauptursachen für die vielen Trennungen.
Die Geschichte von Gao Bo, einem 28-jährigen Mann aus Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang ist Beispiel. Gao und seine Frau ließen sich vergangenen November nach nur sieben Monaten Ehe scheiden. Gao sagt, sie kämen einfach nicht mehr miteinander zurecht, und nach einem dummen Streit über etwas absolut triviales schrien beide auf einmal nach Scheidung. Die zwei waren schon seit der Schulzeit ineinander verliebt und waren vor der Hochzeit schon drei Jahre einer Beziehung. „Nach der Hochzeit konnten wir irgendwie nicht mehr miteinander kommunizieren, und mit jedem Tag der verging wurde die Liebe weniger," so Gao wörtlich.
Es gebe natürlich viele Gründe für die steigende Zahl der Scheidungen, so der Beamte Zhang Shifeng. Das wichtigste sei aber vielleicht, dass junge Paare heutzutage viel impulsiver handelten: Das sei ein Phänomen, das Sorgen bereite, sagte Zhang. Viele junge Leute scheinen nach einer Art Blitzkrieg-Strategie zu leben –schnell heiraten und sich ebenso schnell wieder scheiden lassen.
Dabei sind die schwindenden Gefühle füreinander nicht unbedingt der Hauptgrund für die vielen Trennungen. Oft geht es stattdessen um steuerliche Gründe, um den Kauf zusätzlichen Wohneigentums (dieses ist – je nach Stadt – auf eine bestimmte Anzahl Wohnungen pro Paar beschränkt) oder um größere Entschädigungszahlungen im Falle der Zerstörung von Eigentum.
Einige Lokalregierungen haben bereits Hotlines für Eheberatung eingerichtet, so Zhang. Seine Abteilung hält es außerdem für angebracht, Sozialarbeiter einzusetzen, die in den Gemeinden Familien- und Eheberatung anbieten. So soll Paaren mit Eheproblemen geholfen werden.
„Wir werden allerdings keine verwaltungstechnischen Maßnahmen ergreifen, um uns in das Eheleben der Bürger einzumischen", betonte Zhang.
Für Sun Xiaomei, Professorin und Spezialistin für Frauenstudien an der chinesischen Universität für Frauen, ist das chinesische Eherecht ein Faktor, der zu mehr Scheidungen führe. Aufgrund mehrerer Revisionen des Eherechts in den letzten 50 Jahren sei es für Ehepaare heute so einfach wie nie zuvor, sich scheiden zu lassen.