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Der Kamelreiter und die Schlange

时间:2023-11-24来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Schlange
Ein Kamelreiter war auf seiner Reise an einen Ort gekommen, wo eine Karawane gerastet und ein Feuer angezündet hatte. Nach ihrer Abreise hatte der Wind das Feuer angefacht und die Funken hatten alles Gestrüpp und Reisig in der Wüste in Brand gesetzt. Mitten darin lag eine große Schlange. Die Flammen hatten sie ganz eingeschlossen, daß sie nirgends hinaus konnte. Wohin sie auch schaute, nirgends sah sie einen Weg der Rettung und beinahe wäre sie von dem Feuer wie ein Fisch in der Pfanne gebraten. Als sie den Reiter sah, bat und flehte sie ihn an, sie zu befreien.
 
Der Reiter war ein barmherziger Mann. Als er den Hilferuf der Schlange hörte und ihre Not sah, sagte er zu sich: „Die Schlange ist zwar ein giftiges Tier und ein böser Feind, aber da sie jetzt in Not ist, wäre es doch wohl angebracht, Mitleid mit ihr zu haben. Das Beste ist es, daß ich sie jetzt aus diesem Strudel ziehe und den Samen eines guten Werkes, der in dieser Welt Glück und in der zukünftigen Segen als Früchte tragen wird, pflanze.“ Er nahm also den Ledersack, den er bei sich trug, band ihn an die Spitze seiner Lanze und hielt ihn der Schlange hin. Die Schlange legte sich hinein und der Reiter, im Glauben, ein gutes Werk zu tun, zog sie aus dem Feuer heraus. Nachdem er sie aus dem Sack hatte herauskriechen lassen, richtete er einige ermahnende Worte an sie und sagte: „Du weißt, aus einer wie großen Gefahr du befreit bist. So ist es nötig, daß du aus Dankbarkeit über diese Gnade dich jetzt in einen Winkel zurückziehst und hinfort kein Unrecht mehr tust, denn wer den Geschöpfen Gottes Übles zufügt, ist in dieser Welt übelberüchtigt und in der anderen unglücklich und hat keinen Anspruch auf die Barmherzigkeit Gottes und auf die Liebe der Menschen.“
 
Die Schlange antwortete: „Reiter, laß solche Worte. Ich will nicht von hier gehen, ehe ich dicht nicht gebissen habe.“ Der Reiter erwiderte: „Was ist das für eine unpassende [277]Rede! Ich habe es nicht an Liebe und Erbarmen fehlen lassen und dich nicht im Feuer verbrennen lassen. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte der Strudel des Todes dein Leben vernichtet und die Feuerflamme dich verbrannt.“ Die Schlange sagte: „Ja, du hast es nicht an Menschlichkeit fehlen lassen, aber sie war nicht angebracht und deine Güte hat einen Unwürdigen getroffen. Du weißt, daß ich eine Quelle des Giftes und des Schadens bin. Alle Tiere und besonders die Menschen fürchten sich vor meinem Gift. Wenn du also einen so großen Schädling nicht im Feuer hast umkommen lassen, so kannst du von ihm als Belohnung jedenfalls nichts anderes als Unheil und Böses erwarten, denn den Schlechten Gutes tun ist ebensoviel wie den Guten Schlechtes tun. Vielleicht ist das erstere sogar noch schlimmer. Mich zu töten, wäre für dich eine religiöse Pflicht gewesen. Da du dem göttlichen Gesetz und den Erfordernissen des Verstandes zuwider gehandelt hast, so halte ich es für richtig, dich meinen Stachel kosten zu lassen, damit diejenigen, die es hören, sich abhalten lassen, dir zu folgen und sich dein Beispiel als Lehre nehmen.“ Der Reiter sagte: „Du böser Unhold, was für gottlose Reden führst du? Denke billig, in welcher Religion hat man wohl Böses als Vergeltung für eine Wohltat als passend angesehen? Kein Verständiger hält es für richtig, Gutes mit Bösem zu vergelten und selbst ein ungläubiger Richter glaubt nicht, daß man Nutzen durch Schaden vergelten darf.“ Die Schlange sagte: „Wie kannst du leugnen, daß bei den Menschen und in eurer Religion Gutes und Schlechtes, Wohltat und Böses als gleichwertig gelten. Darum will ich auch, wie ich es von euch gelernt habe, verfahren.“
 
Wie sehr sich auch der Reiter bemühte, sie zu überzeugen, es glückte ihm nicht. Die Schlange rief: „Wähle, ob ich zuerst dich stechen soll oder ob ich mit deinem Kamel anfangen soll.“ Schließlich kamen sie überein, daß die Schlange ihre Behauptung mit vertrauenswürdigen Zeugen [278]beweisen und den Reiter zum Verstummen bringen solle, dann wolle er bereitwillig den Tod annehmen. Dann schaute sich die Schlange um und sah gerade einen Büffel in der Wüste weiden. Sie sagte: „Komm, Reiter, wollen die Schwierigkeit von diesem Braven lösen lassen.“ Der Kamelreiter und die Schlange gingen zu dem Büffel und die Schlange öffnete ihr giftspeiendes Maul und sagte: „Büffel, du wanderst nun so viele Jahre in der Welt herum. Was ist die Vergeltung für Wohltaten?“ Der Büffel antwortete: „Bei den Menschen ist die Belohnung für gute Taten Undank. Um das zu beweisen, genügt folgendes: Ich bin bei einem Menschen schon so lange im Dienst, habe ihm jedes Jahr ein kräftiges Kalb geboren, habe ihm Milch und Butter geliefert, habe für seinen Unterhalt und sein behagliches Leben gesorgt, indem ich auf seinen Dank hoffte. Als ich alt wurde und ihm keine Kälber mehr schenken konnte, sorgte er nicht mehr für mich, vergaß das, was ich ihm vorher getan, und ließ mich einsam und allein in dieser Wüste. Als ich auf dieser Weide graste und wieder fett wurde, ging eines Tages mein Herr hier vorbei, schaute mich prüfend an und stellte meinen guten Zustand fest. Als er sah, daß ich kräftig und fleischig war, kehrte er mit großer Freude nach Hause zurück, und am nächsten Tage kam er mit einem Fleischer zurück und verkaufte mich an ihn. Heute wird man mich ins Schlachthaus führen und mich schlachten. Das ist der Dank der Menschen für Wohltaten.“
 
Die Schlange sagte: „Da hast du gehört, wie die Menschen Wohltaten vergelten. Bereite dich nun zum Tode und erfülle dein Versprechen.“ Der Reiter erwiderte: „Nach unserem Gesetz genügt ein Zeuge nicht. Bevor nicht alle Erfordernisse erfüllt sind, hat der Urteilsspruch keine Gültigkeit.“ Die Schlange sah sich um, erblickte einen Baum und sagte: „Komm, wollen diesen Baum fragen. Wollen sehen, was er dazu sagt.“ Sie gingen zusammen zu diesem Baum und die Schlange fragte ihn: „Was ist die [279]Belohnung für Wohltaten?“ Der Baum antwortete: „In der Religion der Menschen ist Übeltat die Vergeltung für Wohltun, und ihrer Charakteranlage nach verfahren sie auch so. Als Beweis dafür diene folgendes: „Ich gebe hier in der Wüste allein Schatten und auf einem Fuße stehend diene ich allen Kommenden und Gehenden. Jeder von den Menschen, der in der Wüste von der Glut der Sonne gequält wird, findet unter meinem mächtigen Schatten Ruhe und Erquickung, so daß er sich von den Strapazen des Weges und den Unbilden der Witterung erholen kann. Wenn er mich aber ansieht, sagt er: ‚Aus jedem Zweige ließen sich soundsoviele Bündel Reisig und soviel Axtgriffe und aus seinem Stamm soviel Bretter und daraus soviel Türen herstellen.‘ Wenn sie Äxte hätten, würden sie sofort einige von meinen Zweigen abschlagen. Während sie nur Gutes von mir haben, wollen sie mir Übles antun.“
 
Die Schlange sagte: „Die Zeugenangelegenheit ist erledigt. Nun ist weiter kein Vorwand und du mußt die übernommene Bedingung erfüllen und dich meinem Stachel darbieten.“ Der Reiter machte Einwendungen und sagte: „Es war nötig festzustellen, daß die Zeugen glaubwürdig sind. Das ist nicht geschehen. Auf unrechtliche Art Blut zu vergießen, würde sich für dich nicht geziemen. Außerdem ist einem das Leben lieb und die Frucht des Lebens süß, und das Herz von den Dingen dieses Lebens zu reißen ist schwer. Ich habe nun noch eine Bedingung. Wenn du noch einen Zeugen in dieser Angelegenheit findest, will ich mich dem Geschick unterwerfen und mich dem Untergang preisgeben.“
 
Währenddessen kam ein Fuchs in diese Gegend, fand sie in diesem Streit und fragte sie, worum es sich handle. Als die Schlange ihn sah, sagte sie zu dem Reiter: „Komm, jetzt wollen wir den Fuchs fragen. Wollen sehen, was er sagt.“ Der Reiter hatte ihm kaum die Sache genau auseinandergesetzt, als der schlaue Fuchs ausrief: „Mensch, weißt du nicht, daß die Belohnung für eine Wohltat Böses [280]ist? Aber hast du der Schlange denn etwas Gutes getan, daß du als Vergeltung Böses verdienst?“ Als der Reiter ihm den Vorgang erzählte, sagte der Fuchs: „Du gleichst doch sonst einem verständigen Mann, wie kannst du denn solchen Unsinn erzählen und Lügen auftischen?“ Die Schlange fiel ein: „Doch, er hat die Wahrheit gesagt. Da ist der Sack, in dem er mich aus dem Feuer gezogen hat.“ Der Fuchs fuhr fort: „Wie sollte man das glauben, daß ein so großes Tier in einen Sack ginge, der im Vergleich zu dir noch kleiner als ein Ochsenauge ist?“ Die Schlange sagte: „Das läßt sich leicht beweisen. Wenn du es nicht glaubst, kann ich in den Sack hineingehen.“ Der Fuchs erwiderte: „Wenn ich das mit eigenen Augen sehe, will ich die Angelegenheit entscheiden.“ Um die Behauptung zu beweisen, öffnete der Reiter die Öffnung des Sackes und die Schlange kroch im Vertrauen auf die Worte des Fuchses hinein. Als der Fuchs das sah, sagte er leise zum Reiter: „Junger Mann, jetzt hast du deinen Feind im Gefängnis, benutze die Gelegenheit und lasse ihn nicht wieder frei.“
 
Der Reiter hielt die Öffnung des Sackes fest zu und schlug ihn so stark auf den steinigen Boden, daß die Schlange starb, und die Menschheit von ihrem Gifte, und die Welt von ihrer Bosheit befreit wurde. 
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