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Der Löwe und der Kater

时间:2023-11-23来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Löwe Kater
Im fernsten Indien war ein Weideland, das Blüten und Bäume ohne Zahl und Wild ohne Ende hervorbrachte. In dieser Gegend hatte sich nun ein Löwe niedergelassen. Was an wilden und reißenden Tieren vorhanden war, stand in seinem Dienst, führte seine Befehle mit Vergnügen aus und hielt seinen starken Schutz für die Ursache ihres glücklichen Lebens. So vergingen einige Monate und Jahre, und der Frühling der Jugend des Löwen veränderte sich in den Herbst des Greisenalters; seine körperliche Kraft wurde schwach und sein Körper wurde vor Alter matt, so daß seine Augen nicht mehr zum Sehen und seine Zähne nicht mehr zum Essen der Speisen taugten. Ja es kam so weit, daß jedesmal, wenn er seine Beute verzehrt hatte und eingeschlafen war, infolge des Alters seine Lippen, wie der Mund eines Opiumrauchers nach dem Rausch, schlaff herunterhingen und sein Rachen geöffnet war. Dann kamen alle dort vorhandenen Mäuse und holten die Fleischreste, die zwischen seinen Zähnen saßen, heraus. Infolge der Belästigung der Mäuse konnte der Löwe nicht ruhig schlafen und wachte jede Stunde auf. Es war auch nicht möglich, so viele Mäuse zu fangen, denn sobald der Löwe eingeschlafen war, sammelten sich die Mäuse um ihn, so daß er trotz seiner Macht und Stärke ihnen gegenüber machtlos blieb.
 
Der Wolf, der den Rang eines Vezirs innehatte und des näheren Umganges mit dem Löwen gewürdigt wurde, trat eines Tages in das Privatgemach des Löwen. Dieser erzählte ihm, was für Not er von den Mäusen leide. Der Wolf antwortete: „Mächtiger Löwe, deine Lage gleicht ganz genau der Geschichte von dem Kalifen von Bagdad und dem Gottesgelehrten.“ Der Löwe fragte: „Was ist das für eine Geschichte?“ Der Wolf erzählte:
 
„Einer von den Abbasidischen Kalifen war durch seine Gewalt berühmt und durch seine große Macht bekannt geworden. Eines Tages ließ sich in seinem Empfangszimmer [202]ein tugendreicher Gottesgelehrter, der Stolz der Bagdader Gelehrten, nieder. Aber da es Sommer war, belästigten und quälten die Fliegen den Kalifen über die Maßen. Der Kalif wandte sich zum Gelehrten und sagte: ‚Warum sind wohl diese Fliegen geschaffen? Was kann Gottes Weisheit damit bezweckt haben? Abgesehen davon, daß sie unnütz sind, sind sie auch unrein und schmutzig.‘ Der weise Gelehrte sagte: ‚Kalif der Welt, Gott der Herr der Welten hat nichts Unnützes geschaffen. Er hat in seiner Weisheit die Fliegen geschaffen, um den Mächtigen ihre Ohnmacht zu zeigen. Trotz ihrer Kraft und Macht sind sie doch nicht in der Lage, ein so schwaches Heer zu besiegen. Aus diesem Grunde sind dem Allmächtigen die Fliegen äußerst nötig!‘
 
Der Kalif freute sich sehr über die weise Rede des Gelehrten und gab sich zufrieden.
 
„Wenn du also, mächtiger Löwe, die Belästigung dieser verächtlichen Tiere nicht ertragen kannst, so ist dies eine göttliche Mahnung und Belehrung. Aber für jeden Kummer gibt es ein Heilmittel und, wenn man sie nicht mit Gewalt vertreiben kann, muß man List anwenden. Gott hat für jede Sache eine Ursache geschaffen. Was der eine kann, kann der andere nicht. So z. B. kann man den Staub eines Hauses nicht mit einem Pfauenwedel beseitigen, dazu ist ein Besen nötig. So können wir auch die Mäuse vertilgen. Wir haben doch einen alten Diener deines Hofes, den Kater, der seit Jahren auf deine Befehle wartet. Wenn du befiehlst, wollen wir ihm die Bewachung deines Thrones übertragen.“
 
Der Löwe war damit einverstanden, und der Kater, der den Namen Flinkhand hatte, wurde vor den Löwen gerufen und ihm die Wache übertragen. Flinkhand übernahm dies Amt und sagte zum Löwen: „O König der Tiere, du hast mich zwar in deiner großen Güte zum Wächter ernannt. Aber ich war schon seit vielen Jahren an deinem Hofe, ohne daß ich eines gnädigen Blickes von dir für würdig erfunden wurde. Das ist um so merkwürdiger, als [203]ich nicht nur ein alter Freund Euer Majestät bin, sondern auch Verwandtschaft zwischen uns beiden besteht.“ Der Löwe fragte: „Inwiefern?“ Darauf antwortete der Kater: „Als Noah in der Arche war, da waren alle Tiere machtlos gegen die Menge der Mäuse in der Arche und beklagten sich bei Noah. Infolge göttlicher Eingebung strich Noah mit der Hand über die Stirn des Löwen. Da kamen aus seinen zwei Nasenlöchern zwei Katzen zum Vorschein, die meine Ahnen sind. Alle Tiere in der Arche waren nun befreit von der Belästigung durch die Mäuse und hatten ihre Ruhe. Im Schutze deiner Herrschaft habe ich nun auch dieses Amt übernommen.“
 
Tatsächlich verschwanden alle Mäuse, wo Flinkhand sich zeigte. Aber er fing und tötete keine einzige, sondern verhinderte nur, daß sie sich vor dem Löwen zeigten. So hatte dieser seine Ruhe, und Flinkhands Ansehen vermehrte sich von Tag zu Tag.
 
Als Flinkhand auf diese Weise zu der nächsten Umgebung des Löwen gehörte, brachte er eines Tages seinen ältesten Sohn zu ihm, ließ ihn den Erdboden küssen und sagte: „König der Tiere, dies ist mein ältester Sohn. Er versteht gut die Hofetiquette und kann alle Dienste verrichten. Wenn ich bisweilen andere Geschäfte erledige, kann er mich vertreten und das Wächteramt übernehmen.“ Der Löwe gestattete es.
 
Eines Tages hatte Flinkhand anderweitig zu tun, ließ seinen Sohn an seiner Stelle zurück und ermahnte ihn, gewissenhaft seinen Dienst zu erfüllen. Als dieser nun das Wächteramt übernahm, verfuhr er nicht wie sein Vater mit Schonung, kümmerte sich auch nicht um das Geheimnis und den weisen Zweck der Milde, sondern tötete jede Maus, die sich zeigte. Er tötete so viele, daß er bis zum Morgen alle umgebracht hatte, ohne auch nur eine einzige übrigzulassen.
 
Am nächsten Tage kam sein Vater Flinkhand. Als er sah, daß Berge von getöteten Mäusen vorhanden waren, [204]da geriet er außer sich und sagte zu seinem Sohn: „Du unverständiger Tor, diesen königlichen Posten, den ich nach allerlei Mühen am Ende meines Lebens erlangt hatte, hast du mir geraubt und mein Ansehen dem Staube gleich gemacht. Du Tor, du Dummkopf, wenn man uns Gutes tut, so ist es nur der Mäuse wegen. Wozu taugten wir, wenn es keine Mäuse gäbe?“ Also tadelte und schalt er ihn heftig.
 
Einige Tage danach sah der Löwe, daß von den Mäusen nichts mehr geblieben war, und sagte zum Wolf: „Nun wollen wir Flinkhand entlassen, denn der Grund für ein Amt liegt in der Beschäftigung und Arbeit. Wenn diese nicht vorhanden sind, einen Menschen in ein Amt zu setzen, ist genau dasselbe, als wenn man einem Blinden eine Nadel gibt. Flinkhands Amt war das Mäusefangen. Da keine Mäuse mehr vorhanden sind, so wäre es Dummheit, ihn noch zu den Beamten zu rechnen. Besonders da das Katzengeschlecht sehr blutgierig ist und ich auch von der Strafe, die sie wegen ihrer Grausamkeit trifft, mitgefaßt werden könnte. Das Verständigste ist also, ihn zu entlassen.“
 
Sofort wurde er entlassen. Er befand sich wieder in dem alten traurigen Zustande der Verabschiedung. 
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