Immer schon hat ein ganz besonderes Wesen den Menschen Angst eingeflößt: der Werwolf. Jenes Wesen, das sich in einen Wolf und andere grimmige Tiergestalten verwandeln kann und mit dem Teufel im Bunde steht.
Die Geschichten um den Werwolf besagen aber, dass er bezwungen werden kann, und zwar dann, wenn ein unschuldiges Kind ein Stück Stahl über den Werwolf wirft und es auf der anderen Seite schneller auffangen kann als der Werwolf selbst. Schafft das Kind es nicht, das Stahlstück wieder in den Griff zu bekommen, so muss es elendig sterben und der Werwolf geht als Sieger aus diesem Duell hervor.
Vor 300 Jahren trieb sich der Werwolf in Ergste herum. Mal zeigte er sich in jener Gestalt, mal in dieser, aber niemals führte er Gutes im Schilde. Nein, er tötete sogar die Tiere der Bauern, die viel Angst vor ihm hatten, denn sie wussten ja, dass der Werwolf einen Pakt mit dem Teufel eingegangenen war.
Eines Tages aber kamen zwei tapfere Burschen des Weges, die keinerlei Angst vor dem teuflischen Getier hatten. Nun wollte es der Zufall, dass der eine Knabe eine Schere, der andere ein Messer bei sich trug. Kreuzweise warfen sie sie Sachen über den Werwolf und weil sie flinke Burschen waren, schafften sie es auch, die Sachen wieder an sich zu nehmen, bevor der Werwolf sie erhaschen konnte. So schafften es zwei Kinder, das gefährliche Tier zur Strecke zu bringen.
Der Werwolf aber musste sich nun in seiner ursprünglichen Gestalt zeigen und wurde schließlich vor Gericht gestellt. Die Richter in Limburg fällten ein Urteil: Der Werwolf sollte in die Fluten der Lenne geworfen werden. Würde er an der Oberfläche bleiben, so wäre er schuldig, würde er aber wie jeder Sterbliche untergehen, so wäre er von allem freizusprechen.
Lange Zeit hielt sich der Werwolf über Wasser. Und schon wollten die Unstehenden ihn als Werwolf beschimpfen, da erdachte er sich eine List. Er flehte seinen Verbündeten, den Teufel an, ihm in dieser schweren Stunde beizustehen. Der Teufel hörte das Flehen und griff sofort ein. Denn er wusste, dass der Werwolf in seiner Hosentasche eine Nähnadel trug, die er nun so schwer werden ließ, dass der Werwolf unterging und schon in den Fluten der Lenne zu ertrinken drohte.
Nun wussten die Richter aber, dass der vermeintliche Werwolf gar nicht der richtige Werwolf war, retteten ihn vor dem Ertrinken und ließen ihn frei. Denn immerhin hatte er den Test ja unbeschadet überstanden. Wäre er mit dem Teufel im Bunde gewesen, so wäre er nicht untergegangen – so dachten die Leute zumindest.
Doch die Bauern waren von dem Urteil nicht überzeugt. Kurz nach der Freisprechung schlichen sie eines Nachts zum Werwolf, der in tiefem Schlaf lag, und zündeten ihn an. Als der Werwolf erwachte, stand er bereits in lodernden Flammen und musste elendig verbrennen, denn nun konnte ihm auch der Teufel nicht mehr helfen.
Die Asche dieses fürchterlichen Wesens vergrub man nicht auf dem örtlichen Friedhof, sondern außerhalb des Geländes. Und wer heute nachts durch Ergste spaziert, sollte einmal mehr die Ohren spitzen. Denn der Werwolf spukt hier noch immer und wer genau hinhört, der kann sein Winseln hören.