Als Reymund nun stand, und durch die Oeffnung schaute, verwunderte er sich über die maßen, denn er sah Melusina im Bade, wie sie von oben bis auf den Nabel ein schönes Weib sei, dann aber in den Schweif einer bunten gesprengten Schlange endigte, der azurblau war und mit Silberfarben darunter gesprengt, so daß diese Farben wundersam in einander schimmerten. Das Zimmer war eine tiefe Grotte, die Wände waren mit allerhand seltsamen Muscheln ausgeziert und ein Springbrunnen, in welchem sich Melusina befand, war in der Mitten. Von oben ergossen sich auch Wasserstrahlen und tröpfelten wie Perlen durch einander, bei welchem wunderbaren Getöse Melusina sang, indem sie eine Zitter in der Hand hielt:
Rauscht und weint ihr Wasserquellen
In der stillen Einsamkeit,
Die Erlösung ist noch weit,
Meine Thränen mehren eure Wellen.
Ach! wann wirst du, Trauer, enden,
Von mir nehmen meine Schmach?
Immer ist die Strafe wach,
Keiner kann das bös Verhängniß wenden.
Bei diesen Worten vergoß sie einen Strom von Thränen und Reymund war auf das innigste bewegt und erschüttert. Nun fiel ihm auch bei, wie er seinen Eid gebrochen und eine Untreue gegen seine tugendvolle Gemalin begangen habe, dabei konnte er ihre seltsame Verwandlung nicht begreifen und furchte sich auch, daß nun sein Elend anfangen würde, da er seinen Schwur nicht gehalten, wie sie ihm vor der Hochzeit prophezeit hatte, denn er glaubte, daß sie nach ihrer verborgenen Wissenschaft recht gut um seine Untreue wissen würde. Endlich aber verstopfte er die gemachte Oeffnung wieder mit Wachs, und ging im höchsten Zorne zu seinem Bruder zurück. Da dieser ihn also wüthend kommen sah, glaubte er, Reymund habe die Melusina auf einer Unehre betroffen, und sagte zu ihm; siehe, mein Bruder, es hat sich also bestätigt, daß Deine Gemalin Dir und ihrer Ehre ist abtrünnig geworden.
Reymund aber sagte: Du hast mir Unwahrheit vorgebracht und bist mir ein schädlicher Bruder, Du bist zu einer unglücklichen Stunde in mein Haus gekommen, denn deinetwegen bin ich nun in Elend gerathen, daß ich meinen allertheuersten Eid gebrochen habe, darum geh, verweile Dich nicht länger hier, sonst möchte es Dein Leben kosten, und komme mir auch niemalen wieder in mein Haus, oder vor mein Angesicht!
Ueber diese unvermuthete Anrede erschrak der Graf, so daß er sich eilig zu Pferde satzte, und schnell wieder nach Hause ritt; auch die übrigen Gäste wußten nicht, was sie aus Reymund machen sollten, denn er geberdete sich, als wenn er ohne Sinnen wäre, weshalb sie sich auch wieder fort begaben.
Reymund aber war im allergrößten Jammer, er glaubte, daß er seiner Untreue halber nun seine geliebte Melusina nimmermehr wieder sehn würde, und daß er sie auf Zeitlebens verloren habe, er schrie und klagte: ach, du unglückselige Stunde, in welcher ich armer Mann geboren bin, daß ich nun mein allerliebstes Gut entbehren soll! In seiner großen Betrübniß zog er seine Kleider aus und legte sich zu Bett, denn er fühlte sich matt und krank, er beschloß, als ein Einsiedler sein künftiges Leben zuzubringen, wenn er Melusina verlieren sollte. So trieb er die ganze Nacht sein Klagen, indem er sich von einer Seite nach der andern wendete, indem eröffnete Melusina mit einem Schlüssel die Kammer und trat zu ihm, zog sich nackt aus und legte sich neben ihm in das Bett, sie fühlte, daß er kalt und krank war, umfing ihn zärtlich mit ihren Armen und fragte ihn: was fehlt Dir, mein liebster Gemal? Er klagte ihr, daß ihn ein Fieber überfallen habe, war aber doch froh, daß Melusina wieder da sei und sich gegen ihn freundlich bezeigte, worauf er auch wieder von ihren Küssen und liebreichen Umarmungen besser wurde.