Als Roland von seiner Wallfahrt zurückkam, traf er in einem Walde den Ritsart, der dort jagte. Roland ritt auf ihn zu und sagte, daß er sich gefangen geben müsse. Ritsart wollte sich ihm anfangs widersetzen, aber da ihm Roland versprach, ihn gegen König Carl zu schützen, so ergab er sich in sein Geleit und zog mit ihm nach Paris.
Malegys, der im Walde verborgen war, brachte diese Kundschaft sogleich den Brüdern auf Montalban, sie machten sich bereit, Ritsart zu erlösen; Malegys aber ging nach Paris, um zu sehen, wie es mit Ritsart werden würde.
Malegys kam als ein kranker Pilgrimm mit geschwollenem Bein und einem dicken Bauche, dazu in einen rauhen Mantel gehüllt, ganz alt und unansehnlich zu König Carl und begehrte um Gottes Barmherzigkeit willen eine Mahlzeit von ihm. Carl aber schlug ihn derbe mit einem Stecken und sagte: ich traue keinem Pilgrimm mehr, seit mich Malegys betrogen hat. Da geberdete sich Malegys gar kläglich und fing als ein kranker Mann an zu weinen und zu schluchzen, so daß es König Carl wieder gereute, daß er einen heiligen Pilgrimm geschlagen hatte, der noch überdies krank war. Er ließ ihn also an einen Tisch niedersetzen und Speise und Trank reichen, dazu bediente er ihn selbst, aus demüthiger Reue. Malegys dachte in seinem schalkhaften Sinne: ich sollte dir wohl gerne deinen Schlag wieder vergelten; als ihm daher der König einen so schmackhaften Bissen in den Mund stecken wollte, ergriff er gar behende mit den Zähnen dessen Finger und biß ihn tüchtig. Der König setzte sich vor Schmerzen abseits und sagte: Du schelmischer Pilgrimm, warum thust du mir also? Du hättest mir beinahe den Daumen abgebissen, wenn ich dich hätte gewähren lassen. — Malegys sagte: Verzeihen mir Ew. Majestät, ich war so gar sehr hungrig, daß ich nicht recht Acht darauf gab, ob es die Speise oder Euer Daumen war, daher geschah es ohne meinen Vorsatz.
Indem kam Roland mit dem gefangenen Ritsart in den Saal; König Carl war sehr ergrimmt, als er ihn sah, und schwur, ihn sogleich aufhängen zu lassen. Roland aber wollte es nicht zugeben, weil er ihm sicheres Geleit zugesagt hätte; eben so waren auch die übrigen Genossen dagegen. Der König fragte alle nach der Reihe herum, ob keiner es über sich nehmen wolle, den Ritsart aufzuhängen, aber alle schlugen es ab. Da that sich einer her, genannt Rype von Rypemont, der sagte, daß er es sich unterstehen wolle, wenn die Genossen ihm alle angeloben wollten, deshalb keine Rache an ihm zu nehmen. Alle sagten es ihm zu, außer Ogier, der unwillig im Saale auf und abging. Der König wurde ergrimmt, daß dieser es nicht auch versprechen wollte, gleich den andern; Ritsart sah indeß den Malegys in einer Ecke sitzen, er näherte sich dem Ogier und sagte: Ogier, gebt nur Euer Wort, denn ich sehe dort Malegys sitzen, und so komme ich gewiß nicht an den Galgen. Ogier gab also auch sein Versprechen, und Carl setzte nun den Tag fest, an welchem Ritsart zu Falkalon sollte aufgehängt werden.
Malegys begab sich indessen in großer Eile nach Montalban zurück, und sagte den Brüdern den Tag an, und daß sie sich rüsten sollten. Sie ritten also aus, und lagerten sich nahe bei in einem Walde, von wo sie den Galgen genau sehen konnten. Sie stiegen ab und setzten sich in das Gras, wo Malegys ihnen die Geschichte erzählte, wie er dem König Carl in Finger gebissen habe, und indem sie noch sprachen, überfiel sie eine Schläfrigkeit, so daß sie alle einschliefen.
Der Zug mit Ritsart kam indessen zum Galgen, und Rype spottete seiner und sagte, daß er nun weiter auf keine Hülfe zu hoffen habe. Ritsart aber schaute sich sehr betrübt nach seinen Brüdern und Malegys und Bayart um, daß sie ihm helfen sollten, und da er keinen von ihnen allen gewahr ward, brach er in Thränen aus und ergab sich in sein Schicksal, denn sie schliefen alle im Walde, außer Bayart, der noch munter war. So mußte nun Ritsart wie ein Verbrecher auf die Leiter steigen, und als er fast oben war, sah ihn Bayart aus dem Walde heraus. Das Pferd fing ein großes Geschrei an und wüthete und tobte so lange, bis Reinold aufwachte. Der sagte: Ei, du böser Schalk, das bin ich an dir ungewohnt, und wollte es schlagen, aber da sah er seinen Bruder oben beim Galgen und schnell stieg er auf Bayart und weckte die übrigen, und alle rannten mit voller Gewalt aus dem Walde heraus. Reinold schlug unter das Volk, so daß sie flohen oder umkamen, und Ritsart war wieder frei, und Rype ward genommen und an den Galgen gehangen, weil er sich unterstanden hatte, den Ritsart aufzuhängen.
Ritsart war so froh und guten Muths, daß er sich noch die Rüstung des Rype anzog und auf sein Pferd stieg, um sich vom König Carl den versprochenen Lohn auszahlen zu lassen. Reinold mußte lachen, da er seinen Bruder noch so gutes Muthes sah, er folgte ihm von ferne mit Malegys und den übrigen Brüdern.