Heymon ritt nun mit seinen Söhnen und den Abgesandten nach Paris, und König Carl kam ihm entgegen, und freute sich ihn zu sehen, denn es war in zwanzig Jahren das erstemal, daß er ihn unbewaffnet sah. Carlmann folgte ihm sehr ungern, denn er hatte einen Haß auf Heymon und sein ganzes Geschlecht. Nach einem freundlichen Empfange ritten alle nach Paris zurück. Die Ritterschaft und alle Damen bewunderten Reinolds Schönheit und Stärke, worüber Carlmann sehr ergrimmt ward, weil er sich für den schönsten und tapfersten Ritter im Lande hielt. Er ging zu Reinold, und sagte zu ihm: Vetter, schenket mir Euer Pferd, so will ich Euch eine andre Gabe dagegen verehren. Reinold antwortete: Es thut mir leid, daß ich Ew. Majestät für jetzt diese Bitte abschlagen muß, denn ich finde sonst kein ander Pferd, das für mich stark genug wäre. Carlmann ging zornig beiseit und sagte: Nun wohl, soll er auch, wenn ich gekrönt bin, kein Lehn empfangen, so wie die übrigen. Da Reinold dies hörte, ging er wieder zu ihm und sagte: Ich danke Gott, daß mir mein Vater so viel gegeben hat, daß ich Eurer Lehne nicht bedarf.
Als die Tafel gehalten ward, befahl Carlmann, daß man den Heymons Kindern nichts zu essen geben sollte. Alle Ritter und Edle setzten sich, da erscholl Musik, und einem jeden ward aufgetragen, so viel nur sein Herz begehrte; nur die Kinder Heymons erhielten nichts, und man that, als wären sie gar nicht zugegen. Als Reinold dieses inne wurde, ging er hinaus, stieß mit einem Fuß die Thür der Küche auf, und nahm von den dastehenden Schüsseln so viel als ihm beliebte. Der Koch wollte ihm die Schüsseln nicht verabfolgen lassen, aber Reinold schlug ihn sogleich, daß er zur Erden fiel. Nun hatte er mit seinen Brüdern genug; und König Carl, der den Vorfall hörte, sagte: er hat Recht gethan. Der Marschall näherte sich Reinold und sagte: Junger Herr, Ihr habt groß Unrecht gethan, den Koch zu erschlagen, wenn ich einer seiner Verwandten wäre, so würde ich das schwer an Euch rächen. Dazu habt Ihr keinen Muth, sagte Reinold, und der Marschall ward über diese Antwort erzürnt, und schlug nach Reinold; aber dieser schlug ihn mit der Faust sogleich zu Boden, und stieß den Leichnam mit dem Fuß, daß er weit in den Saal hineinrollte. König Carl gebot Ruhe, und daß die Kurzweil und die Musik ungestört fortwähren solle; worauf denn alle guter Dinge waren, und so der Tag zu Ende ging.
Carlmann gebot, daß man in der Nacht den Heymons Kindern kein Bette anweisen sollte, so daß sie in Ruhe schlafen könnten. Als dies Reinold inne ward, machte er in der Nacht ein solches Getöse mit seinen Waffen, daß alles im Schlosse aus den Betten fuhr, und bekümmert war und durch einander lief. Nun legte sich Reinold mit seinen Brüdern in die Betten, die ihnen am besten gefielen, und diejenigen, die so vertrieben waren, brachten die Nacht unter Klagen und Murren hin.
Am folgenden Tage ward Carlmann in der Kirche feierlich zum Könige von Frankreich gekrönt. Ein schöne Musik ward aufgeführt, und der ritterliche Bischof Turpin las die Messe, und dem jungen Könige ward ein kostbares Schwert umgegürtet, und eine überaus köstliche Krone auf das Haupt gesetzt.
Reinold war vom König Carl zum Speisemeister ernannt, Adelhart zum Mundschenken, und sie versahen ihre Dienste sehr wohl, als der Zug zum Pallaste zurückgekommen war; auch Ritsart und Writsart warteten überaus geschickt bei der Tafel auf, so, daß jedermann die adeligen Sitten bewunderte. Nach der Mahlzeit versammelte König Carlmann alle Edlen im Garten, und theilte die Lehen aus, aber den Heymons Kindern gab er nichts, worüber Heymon ergrimmt zu König Carl lief, und ihm diesen Vorfall kund that. Carl schalt in Gedanken die Unart seines Sohnes, und gab allen drei Brüdern sehr ansehnliche Grafschaften zur Lehen, worüber Carlmann, als er es erfuhr, äußerst erboßt ward. Er sagte: ich will jetzt probiren an einem Steinwurfe, ob die Edeln meines Landes auch stark und gewaltig sind; ich vermesse mich, der stärkste im Werfen im ganzen Königreich zu sein. — Alle Ritter und Edle schwiegen still, und Carlmann wiederholte die stolzen Worte noch einmal. Der alte Heymon konnte diese Vermessenheit nicht anhören, und sagte: Ew. Majestät sollten Gott im Stillen für seine große Gnade danken, wenn dem also ist, aber ich kenne einen jungen Helden von zwanzig Jahren, der diesen Stein wohl weiter werfen könnte, wenn er nur wollte, als Ihr es je im Stande seid. — Holt nur Euren Sohn Reinold! rief Carlmann ergrimmt, damit Ihr selbst gewahr werdet, wie Ihr mit Euren prahlerischen Reden zu Schanden werden sollt. Da ging Heymon abseits seinen Sohn Reinold aufzusuchen, und weinte bitterlich, denn die Rede Carlmanns hatte ihn gar zu sehr innerlich verdrossen. Reinold sah seinen Vater auf sich zu kommen, und verwunderte sich über die Thränen, die diesem von den Wangen herunterliefen. Heymon erzählte ihm den Vorfall, und bat seinen Sohn, den Stein doch ja weiter zu werfen, weil er sonst als ein Lügner bestehen müsse, welches ihm in seinem ganzen Leben noch nicht begegnet sei. Reinold wandte ein, daß Carlmann sein König sei, und daß er ihn nicht erzürnen wolle; worauf Heymon sagte: nun gut, mein Sohn, wenn Du Deinen alten Vater umsonst hast weinen lassen, so muß ich sterben, denn ich kann als Lügner nicht weiter leben. Darauf rief Reinold aus: Nein, sterben sollt Ihr nicht, ich will den Stein weiter werfen, und wenn gleich mein Gegner der Teufel wäre. So folgte er seinem Vater zur Gesellschaft.
Carlmann warf den Stein weit weg, die übrigen Ritter warfen auch, aber keiner erreichte Carlmanns Ziel. Reinold nahm ihn und warf ihn viel weiter, als der König gethan hatte. Darauf nahm Carlmann seine ganze Gewalt zusammen, und warf den Stein noch weiter als Reinold, Reinold aber ergriff ihn wieder, und warf ihn mit großer Leichtigkeit so weit über das Ziel hinaus, daß Carlmann den Muth verlor.
Da der junge König sehr erboßt war, so versuchte es der falsche Ganelon, ihn zu trösten. Er schlug ihm vor, dem Adelhart auf den Kopf zuzusagen, daß er sich ermessen habe, ihn im Schachspiel zu überwinden, er sollte also mit ihm spielen und dabei ausmachen, daß derjenige, der fünf Spiele hinter einander gewönne, dem andern das Haupt abschlagen dürfe. Dem Könige gefiel dieser falsche Rath, und er ließ Adelhart kommen; dieser weigerte sich lange, um einen so hohen Preis zu spielen, aber Carlmann zwang ihn dazu, und Ganelon bezeugte, daß er sich vermessen habe, den König im Schachspiel zu besiegen. Carlmann gewann drei Spiele hintereinander, und Adelhart war seines Lebens wegen sehr besorgt. Aber er nahm allen seinen Verstand zusammen und gewann das folgende Spiel und eben so noch vier andre, womit er eigentlich das Haupt des jungen Königs gewonnen hatte. Er neigte sich gegen Carlmann, und sagte: Ich begehre nicht den Vertrag zu erfüllen, aber hüte sich Ew. Majestät vor Demjenigen, der Euch diesen Rath gegeben hat, denn er meint es wahrlich nicht gut mit Euch. Carlmann aber ergriff das silberne Spielbrett, und schlug damit Adelhart ins Angesicht, daß er blutete. Adelhart ging traurig fort in den Stall, lehnte seinen Kopf an Bayart und weinte; dort traf ihn Reinold und fragte ihn, was ihm fehle; er wollte es anfangs verschweigen, weil er den Grimm seines Bruders fürchtete, da ihn aber Reinold selber zu ermorden drohte, wenn er ihm die Wahrheit nicht gestünde, so erzählte er ihm aus Furcht den ganzen Verlauf des gefährlichen Spiels. Da ward Reinold sehr zornig, und sagte: Wie? darf man einem Bruder von mir so begegnen? Kann ich es leiden, daß ich so das brüderliche theure Blut zu Boden fließen sehe? Du hast sein Haupt gewonnen, und ich will es Dir bringen.
Er ließ hierauf Bayart nebst den andern Pferden heimlich aus der Stadt schaffen, dann ging er in Carlmanns Zimmer, bei dem sich Carl und viele Edle befanden; mit grimmigem Gesicht packte er den jungen König bei den Haaren und schlug ihm sein Haupt mit dem Schwerte ab; worauf er es seinem Bruder Adelhart gab und sagte: Hier hast Du Deinen Gewinnst!