Da, als wir gefesselt, geknebelt, aufeinandergepackt, in dem Transport-Wagen lagen – da habe ich zum erstenmal in meinem Leben die Subordination vergessen – ich, dem die Subordination alles war, und bin ausgerissen.
Und die Folge davon? – Ich liege in der Gosse – –
Ja, Subordination muß sein!« sagte der Strohhalm, grub sich mit seiner leeren Kornähre, seiner Raupe, in den Gossenschlamm und philosophierte über die Gefahren der Unbotmäßigkeit. – »Siehst Du, Prinz Halm-Halm: Schmieg' Dich dem Schicksal an, so kriegst Du einen warmen Pferdestall – lehn' Dich dagegen auf und Du fällst in die Gosse – auf Aehre! – Burrrr – brumm!« schnarrte es neben ihm. Ein richtiger, bunter Brummkreisel war es, der auf irgend eine Weise in die Gosse geraten, unter die Blätter, und von den Kindern vergessen worden war.
»Subordination. – Ich brumme was auf die Subordination! Wer wie ich zeitlebens von allen unnützen Buben auf den Straßen herumgepeitscht worden ist – zuweilen waren ein halbes Dutzend hinter mir, und dann mußte ich tanzen und brummen, bis mir der Atem ausging – der ist froh, wenn er auskratzen kann und sein Leben gemütlich in der Gosse beschließen darf.
Wie habe ich mich gesträubt und gewehrt, all' mein Leben lang! Ich habe den Bindfaden, der an mir saß, so fest um mich herumgewickelt, daß er beinahe mit keiner Macht der Erde wieder loszumachen war; ich habe mich mit meinem einzigen spitzen Bein in die Ritzen der Steine geklemmt, daß sie mich beinahe nicht wieder herauskriegen konnten; ich bin allen Jungen und Mädchen zwischen die Füße gefahren, daß sie stolperten, und habe dabei gebrummt, daß mir selber angst und bange wurde. Aber es half mir nichts. Ich mußte tanzen und schnurren und Kapriolen machen mit der bittersten Empörung in meinem Brummkreiselherzen. Sie hatten die Peitsche und folglich auch die Macht und ich mußte tanzen, bis ich eines schönen Tages in der Gosse lag – – – Brrrrr – brumm!« sagte der Kreisel, als der Wind über ihn hinfuhr und ihn zwang, sich um sich selbst zu drehen.
»Ja, mein lieber Herr Kreisel,« sprach da salbungsvoll ein weißes, bedrucktes Stück Papier, das die Schulkinder aus einem ihrer Bücher verloren hatten. Die Blätter wollten es nicht für voll anerkennen – es war zwar auch ein Blatt und auch trocken, aber es gehörte zu einer ganz andern Familie – sie waren gar nicht verwandt. Es hielt sich deshalb ein wenig abseits und sprach in gebildetem Tone:
»Sehen Sie, mein lieber Herr Kreisel,« sagte es, »das ist von alters her so gewesen – ich muß das wissen, denn ich bin aus einem Geschichtsbuche – die Starken hatten die Macht und, wie Sie so sehr richtig bemerkten, folglich auch die Peitsche, mit der sie sehr energisch umzugehen wußten, und die Schwachen – nun, die wurden gepeitscht. Da hilft kein Auflehnen gegen den Willen von oben und gegen die Peitsche der Straßenjungen; die Kreisel wie alle Armen und Schwachen müssen tanzen – so ist es immer gewesen, so ist es heute noch, und so wird es bleiben. Wir haben uns einmal daran gewöhnt, und wir Gebildeten sehen auch ein, daß es nicht anders sein kann und daß es so am besten ist.«