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Geschichten aus einer andern Welt:Das Märchen, das verloren gegangen war.-4

时间:2024-01-15来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Geschichten aus einer andern Welt

»Zerschmettert, was im Wege steht!« wiederholte der mit der hohen Stirn. »Komm, laß uns die Bäume niederreißen, und die Felsen zerbröckeln.«

 

»Pah,« lachte der Wilde, »wozu die Arbeit, die eine Ewigkeit dauert? – Weiter, weiter will ich, ins Leben hinein! – Hör', laß uns den Bäumen aus dem Wege gehen, Du dort herum, und ich hier, und dann wollen wir sehen, wer zuerst ankommt, zuerst sein Ziel erreicht – Du oder ich!«

 

Das reizte den Zwillingsbruder; wußte er doch, daß er natürlich der Erste sein würde. Ein flüchtiges Lebewohl nur, und er brauste dahin, ungestüm, hier ein Stück Fels wegreißend, dort einen Baumstamm mit sich zerrend. Er sah nicht die Welt um ihn; er sah nur in die Ferne, wo seine Welt liegen mußte, die er erträumt, die er besitzen, beherrschen wollte. Nur immer weiter, weiter, dahin, wo der zarte Dunst aufsteigt, wo ein erster Sonnenstrahl glitzert wie auf Türmen – die seines neuen Reiches – und in wilden Sprüngen, brausend und jauchzend, setzt er der Traumwelt nach, bis er schwankt und schwankt und ihm schwindelt, und er den Boden unter den Füßen verliert, und er in den Abgrund stürzt, in den Abgrund von erträumter Leidenschaft. Es war ein jäher Sturz. In ihm zerschellen alle seine Träume, alle seine erhabenen Gedanken. Voll Grausen blickt er hinauf zu der schwindelnden Höhe, auf der er einst geweilt hatte: so groß und erhaben hatte er sich das Leben gedacht, nichts hatte er haben wollen, keine Freude, keine Liebe, nur Größe und immer mehr Größe. Nun trieb er dahin in einem breiten, gemächlichen Strombett, immer mehr wiegend, erschlaffend, duselnd – und nur wie weißer, kreisender Schaum trieb die Erinnerung auf seinen langsam sich wälzenden Fluten. Einmal schaute er sich um nach seinem Bruder: eine brausende, dampfende Gischt in der Ferne verhüllte alles hinter ihm.

 

Der trotzige, lächelnde, genußsüchtige Zwillingsbruder aber war gar gemütlich seines Weges gezogen, hatte die Bäume auf der schwimmenden Insel neckisch an den Zweigen gezupft, wie die unnützen Buben die schmollenden Schulmädchen an den Zöpfen, hatte seine neugierigen, geschwätzigen Fluten durch jeden kleinen Felsengang geschickt, bis er mitten durch die Insel hindurchlugen konnte, und da sah er etwas sehr Liebliches. Nicht eine Insel war es nämlich, sondern neben der großen, die das Königreich einer vornehmen alten Waldnymphe war, wie die Wasserboten berichteten, lagen noch drei kleinere, und jede von ihnen hatte ein Töchterlein der Waldkönigin zur Herrin, und sie lebten da in eitel Freude und Lustbarkeit. Keinen Gebieter wollten sie über sich erkennen und frei wie die Luft leben, so lange die Welt steht. Da kam jetzt der schöne Flußheld geschwommen, ganz nahe an die Insel der ersten Schwester heran, siehe, da steht ein wunderschön Jungfräulein, mit Guirlanden von Blumen umwunden und ein fröhlich Liedchen summend. Und horch! wie die Antwort zu ihr aufsteigt aus den weißen Wassern, die plötzlich aus dem Dunkel der Felsen hervorbrechen und sie erschrecken, daß sie schreiend davonläuft. Er aber schwimmt ihr nach, rund um die Insel, siehe – da sitzt auf einem Felsblock der zweiten kleinen Insel ein noch viel schöneres Jungfräulein, die schüttelt ihr lockiges Haar, als sie die weißen, starken Arme des Flußhelden sieht, die er nach ihr ausstreckt. Und sie lacht höhnisch und nimmt spitzes Gestein und wirft es nach ihm, daß ihn die scharfen Kanten ritzen. Da wird er zornig und will aufwallen – doch ach, drüben auf der letzten, kleinsten Insel, da sitzt am Ufer, mit den Füßen die neuen Wellen patschend, das dritte Prinzeßchen; und sie hat langes, güldenes Haar, und die meerblauen Augen sehen neugierig zu ihm hinüber, und die schönen Glieder wiegen sich mit den Wellen. Da schwimmt er ganz nahe zu ihr, legt seine große Männerhand um ihr weißes, weiches Füßchen, und sie lächelt nur – da zieht er sie hinab in seine schaukelnde, weite Wasserwiege. Wie eine Wehklage braust es durch die Waldwipfel; aber sein Jubelruf übertönt die Klage, und weit enteilt er, seine Beute bergend vor Fels und Abgründen. Regungslos liegt die Schlanke, Weiße in seinen Armen. Sie kann ja nicht sprechen im Wasser, nur die meerblauen Augen sehen ihn an, und tief drin liegt eine stille Klage: Warum hast du mich in ein fremdes Element gezogen? Warum dich zum Herrn gemacht über ein freies Geschöpf? 
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