»Sieh,« sagt der närrische Sohn der Phantasie und reicht dem Sonntagskind eine große Trompetenblume als Fernrohr, »die ganze Welt zieht wie die Bilder eines Guckkastens an unsern Fensterchen vorüber. Mußt aber nicht durch dieses hier sehen, das ist die rosenfarbene Brille, durch das schauen nur die Faulen, die ihre Gedanken nicht anstrengen mögen – nota bene, wenn sie welche haben – und jenes Fenster dort ist gelb wie der Neid und dieses rot wie Blut, als ob die Welt in Feuer stünde. Nein, schau hierher – Clematis und Weinranken haben ein schönes, kleines Guckloch gebildet, ein Vöglein, das früh morgens zur Sonne singt, hat sich drüber ein Nestlein gebaut – das Glas ist klar und wahr wie meiner Mutter Augen. Komm, Du Sonntagskind, laß mich über Deine Schulter lehnen und Dir sehen helfen.«
»Nein, wie ist die Welt klein!« ruft das Sonntagskind verwundert.
»Nicht wahr?« antwortet der Geselle, »und Du hast sie immer für so riesengroß und wichtig gehalten.«
»Und die Menschen – wie Zwerge! Sieh' nur das Gewimmel!« lacht das Sonntagskind.
»Ja, das macht Spaß, die Welt übersehen zu können,« nickt der Geselle und die Glöckchen an seiner Schellenkappe klingeln dazu.
Da draußen in der Welt krabbelt's, prustet's, keucht's und läuft und schiebt und stößt – die Großen drängen die Kleinen zur Seite, die Starken schlagen die Schwachen tot, und die Armen wehklagen gen Himmel. –
»Wie eilig sie es alle haben!« wundert sich das Sonntagskind.
»O sieh' nur, sieh' – den alten Mann, einen Kahlkopf hat er und unterm Kinn einen grauen Ziegenbart, und die Augenbrauen stehen wie Borsten in die Höhe und die Augen glitzern gierig darunter hervor. – Sieh', wie er an dem Sack zerrt, wie Gold schimmert es durch die Löcher – er kann ihn kaum regieren und Angst und Zornesthränen rinnen aus seinen Augen.«
»Ja, und er trägt rot und weiß gestreifte Hosen und einen blauen Rock,« sagt Puck, »und er kaut Tabak, und er flucht englisch, wenn die andern seinem Geldsack zu nahe kommen.«
»Ach, und jener dort – mit großen Sprüngen, mit ellenlangen Schritten setzt er dem kleinen Irrlicht nach, das über Berg und Thal, durch Sumpf und Morast vor ihm herhüpft, und sieh' nur, wie seine Frau sich anstrengt, mitzukommen.«
»Sieh, sie hebt ihre schönen, seidenen Kleider auf, daß sie nicht schmutzig werden, und patsch! springt sie mit beiden Füßen in die Wasserlache – nachher läßt sie die Kleider wieder drüber hängen – dann sieht man ihre beschmutzten Füße nicht – und guck! das Irrlicht sieht aus wie ein Ordensbändchen.«