Kadir lebte in den Straßen Bagdads. Er hielt sich als Stadtführer und mit kleinen Gaunereien über Wasser. Doch heute liefen die Geschäfte schlecht. Fremde hatten sich in den letzten Tagen in der Stadt nicht blicken lassen. Zudem waren sehr viele Wachmänner des Kalifen unterwegs. Da war gar nicht daran zu denken, den Leuten ein paar Münzen aus der Tasche zu ziehen. Also saß Kadir schlecht gelaunt auf einer halb verfallenen Mauer und starrte mit knurrendem Magen auf die reich gefüllten Stände des Markts.
Aus dem frühen Morgen, an dem die Menschen Bagdads sehr geschäftig unterwegs waren, wurde der Mittag. Da ertönte plötzlich die eine seltsame Melodie. Kadir richtete sich neugierig auf und versuchte zu entdecken, woher die Musik kam. Am anderen Ende des Markts hatte sich ein alter Mann mit langem Bart an eine Hauswand gesetzt und spielte auf einem trockenen Flaschenkürbis, den er zu einer Flöte umgewandelt hatte. Vor ihm stand ein Korb, in dem sich etwas bewegte.
»Was?« Kadir erschrak. Vor dem Alten erhob sich eine lebensgefährliche, hochgiftige Kobra. »Wie kann er das nur machen?« Erst da fiel dem Jungen auf, dass die Schlange im Takt der Melodie tanzte und sich hin und her bewegte.
Fasziniert kletterte Kadir von seiner Mauer und ging auf den Mann zu. Wie schaffte er es nur, das Tier unter Kontrolle zu halten? Er musste einen mächtigen Zauber auf die Kobra gelegt haben. Die Menschen, die hier vorbei kamen, blieben stehen, sahen dem Tanz begeistert zu und warfen dem Schlangenbeschwörer immer wieder Geld zu.
»Das will ich auch können.«, wusste Kadir sofort. Damit würden alle seine Sorgen sofort verschwinden. Nur wo bekomme ich eine Flöte und eine Schlange?«
Er sah sich auf dem Markt um. Er klaute sich eine Honigmelone, höhlte diese mit seinem Messer vorsichtig aus und nahm einen leeren Sack mit, den ein Händler hatte liegen lassen. Damit setzte er sich an eine Stelle, an der besonders viele Menschen vorbei kamen. Ungeschickt und ungeübt blies er in seine Melone und entlockte ihr schreckliche Töne, die in den Ohren schmerzten.
Das konnte nichts werden, war sich Kadir sicher. Er sah schon, wie ihn die Soldaten aus der Stadt jagten. Doch dann begann sich der leere Sack plötzlich zu regen. Er richtete sich auf, schien sich immer weiter zu füllen. War da tatsächlich eine Schlange drin aufgetaucht?
Kadir blies noch fester in seine Melone, sein Spiel wurde noch lauter und unerträglicher, trotzdem blieben die ersten Menschen fasziniert stehen.
Der Sack öffnete sich. Darin wurde ein Kopf sichtbar. Doch eine Kobra war es nicht, die da zum Vorschein kam. Es war ein junges Kamel, dass sich nun einen Weg in die Freiheit suchte.
Kadir ließ die Melone fallen, zog seinen Gürtel aus der Hose und nahm das Tier an die Leine. »Dich werde ich jetzt sofort verkaufen. Dann kann ich mir endlich etwas zu essen kaufen.«
Kurz darauf saß er wieder auf seiner Mauer und stopfte sich laut schmatzend den Mund voll.