Merle saß mit ihrer Freunde Maja in ihrem Kinderzimmer. Gemeinsam spielten sie mit ihren neuesten Püppchen und dachten sich Geschichten aus, die diese erleben könnten.
»Meine Inga ist eine Prinzessin, weil sie eine Krone auf dem Kopf trägt. Sie herrscht über ein riesiges Reich in dem unzählige Menschen leben. Jeder muss ihr zu Diensten sein und ihre Wünsche erfüllen.«, schwärmte Maja.
»Das ist doch viel zu langweilig und altmodisch.«, fuhr ihr Merle dazwischen.
»Meine Sabrina ist eine super erfolgreiche Sportlerin. Sie gewinnt bei Olympiaden und Weltmeisterschaften sämtliche Medaillen, egal ob Gold, Silber oder Bronze. Sie ist überall unheimlich beliebt. Und ohne ihre geheimen Trainingsmethoden würde deine Prinzessin dick und rund.«
Maja gab sich geschlagen. Gegen eine Sabrina konnte sie einfach nicht ankommen.
»Das ist so fies. Immer hast du die viel besseren Puppen.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein drittes Mädchen trat ein. Es war Melanie.
»Hallo, ihr zwei. Was spielt ihr denn da?«, fragte sie.
Maja und Merle hielten stolz ihre Puppen hoch und strahlten über das ganze Gesicht.
»Das hier ist Prinzessin Inga und das ist ihre Fitnesstrainerin Sabrina, die dafür sorgt, dass im Schloss niemand dick und rund wird.«
Melanie warf einen prüfenden Blick auf die Puppen und verzog dann das Gesicht.
»Aber die sind doch langweilig. Ich spiele gar nicht mehr mit Puppen. Ich spiele lieber selber.«
Nun sahen sich Merle und Maja verwirrt an, denn sie verstanden nicht so recht, was Melanie ihnen zu sagen versuchte.
»Schaut nicht so dumm. Das ist doch alles ganz einfach.«, erklärte sie schließlich.
»Warum sollte ich einer Puppe erzählen, dass sie eine Prinzessin ist, wenn ich auch selber eine Prinzessin spielen kann. Dabei habe ich dann ein schickes Kleid an und eine große Krone auf dem Kopf. Gestern Abend bin ich sogar auf einem Teppich durch die Luft geflogen.«
Merle begann zu lachen, während Maja zu ihrem Kleiderschrank flitze und darin nach einem Prinzessinnenkleid suchte.
»Ich habe aber kein einziges Kleid, in dem ich wie eine Prinzessin aussehen würde.«
Sie machte ein langes Gesicht und war enttäuscht.
Melanie lachte, schob Merle vom Teppich und setzte sich hin.
»Ach ihr zwei. Ihr braucht doch nur ein wenig Fantasie und etwas Hilfe. Also setzt euch zu mir und schließt die Augen. Und wenn ihr sie wieder öffnet, sind wir alle Prinzessinnen auf einem fliegenden Teppich.«
Merle und Maja sahen ungläubig auf den Teppich, setzten sich aber trotzdem und schlossen auch ihre Augen.
Als sich Melanie sicher war, dass sie nicht beobachtet wurde, holte sie ein kleines Beutelchen aus der Tasche und zog eine kleine Koboldfigur daraus hervor.
»Lieber kleiner Pippel.«, flüsterte sie. »Wir drei möchten Prinzessinnen sein und auf unserem Teppich über die Stadt fliegen.«
Der Kobold begann zu leuchten und erwachte zum Leben.
»Dein Wunsch sei mir Befehl. Schon in einem kurzen Augenblick wird er in Erfüllung gehen. Schließe nun deine Augen.«
Ein helles Licht blitzte auf. Als die drei Mädchen wieder ihre Augen öffneten, hatten sie wunderschöne Prinzessinnenkleider an. Der Teppich unter ihren Füßen hatte sich ebenfalls ein paar Zentimeter in die Luft gehoben.
»Los, öffnet schnell das Fenster. Wir fliegen zum Himmel hinauf.«
Merle war noch immer völlig verwundert, befolgte aber die Aufforderung und setzte sich anschließend wieder zu ihren Freundinnen. In diesem Moment sauste der Teppich los und verließ das Haus.
Im hohen Bogen ging es über die Gärten der Siedlung hinweg. Melanie packte den Teppich mit ihren Händen an den vorderen Ecken und steuerte ihn damit nach oben und unten, nach links und nach rechts. Sie flogen über Wiesen und Felder, Wald und Flur. Sie machten sogar einen Abstecher zur Schule. Durch ein Fenster hindurch konnte sie ein paar Jungs sehen, die heute nachsitzen mussten.
»Das geschieht ihnen recht. Sie haben heute Morgen Marie geärgert und an ihren Zöpfen gezogen.«, freute sich Maja.
Und weiter ging die Flugreise. Der Teppich wurde immer schneller, bis der Wind richtig um die Ohren pfiff.
»Und jetzt geht es hinab zur Autobahn.«, freute sich Melanie.
Sie steuerte tiefer und flog schließlich nur wenige Meter über den Autos dahin. Sie flogen so schnell, dass sie einen Wagen nach dem anderen überholten.
»Und wieder nach oben.«
Höher und immer höher stiegen die drei Mädchen mit ihrem Teppich. Schon nach wenigen Sekunden durchstießen sie die Wolkendecke.
»Was ist denn das für ein silberner Punkt dort drüben?«, fragte Merle.
»Finden wir es doch einfach heraus.«, antwortete Melanie.
Sie steuerte eine lange Kurve und kam dem Punkt immer näher. Es stellte sich heraus, dass es ein großes Passagierflugzeug war. Merle konnte nicht anders und winkte den Fluggästen zu.
Genau in diesem Moment krabbelte Pippel aus dem kleinen Beutelchen hervor und winkte ganz aufgeregt mit den Händen.
»Es wird Zeit zurück zu kehren. Die Mutter wird gleich das Kinderzimmer betreten.«
Melanie wurde ein wenig nervös und sah sich zu den anderen Mädchen um.
»Schließt schnell eure Augen und denkt an Merles Zimmer.«
Pippel wartete, bis sich die sechs Augen geschlossen hatten. Dann klatschte er einmal seine Hände über seinem Kopf zusammen. Nach einem kurzen Lichtblitz befanden sich sowohl der Teppich als auch die Kinder auf dem Fußboden des Kinderzimmers.
Die Tür öffnete sich und Merles Mutter kam herein.
»Was macht ihr drei denn da?«, fragte sie neugierig.
»Seid ihr etwa eingeschlafen?«
Die Mädchen öffneten ihre Augen und sahen sich um. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass sie nicht mehr umher flogen. Auch die schönen Kleider waren wieder verschwunden.
»Ach nein, Mama. Wir spielen doch nur. Und du störst gerade unseren Flug auf dem fliegenden Teppich.«
Merle stand auf und schob ihre Mutter sanft aus der Tür hinaus. Dann sah sie zu den anderen Mädchen und wunderte sich, so viel Fantasie zu haben.
»So einen Traum habe ich ja noch nie erlebt. Das fühlte sich alles so echt an.«
Melanie lächelte nur und verstaute ihr kleines Koboldbeutelchen in ihrer Hosentasche.