Benni stand stolz vor dem Spiegel im Badezimmer. Gestern Nachmittag war er beim Friseur gewesen und hatte sich nach langen Überlegungen für eine neue Frisur entschieden. Von seinen langen Haaren war nur noch auf dem Kopf und der Pferdeschwanz übrig geblieben. Die Seiten hatten einen Undercut bekommen und waren nun ganz kurz. »Richtig cool. Das traut sich bestimmt kein anderer in der Schule.«
Benni verließ das Bad, schnappte sich seine Schultasche und machte sich auf den Weg.
Die Schulstunden vergingen. Der Mittag kam und damit Benni auch nach Hause. Er steckte den Schlüssel in die Tür, betrat wortlos den Flur und warf Tasche und Jacke achtlos in die Ecke. Dabei sprach er kein Wort und rief Mama nicht einmal eine Begrüßung zu.
»Irgendwas stimmt da nicht.« Mama kam sofort aus der Küche und sah ihrem Sohn sofort an, dass es geschehen sein musste. Da fiel ihr Benni auch schon in die Arme und begann zu weinen.
»Die anderen Kinder haben mich alle ausgelacht. Sie meinen, ich sähe aus, wie eine Mischung aus Mädchen und Junge, aber nichts davon richtig. Hätte ich mich bloß nicht für diese Frisur entschieden. Das wird das schlimmste Weihnachtsfest aller Zeiten. Wenn ich könnte, würde ich mir vom Weihnachtsmann sofort meine Haare zurückwünschen.«
Mama drückte Benni an sich. Wie unglaublich fies und ungerecht konnten Kinder eigentlich sein? Und selbst wenn sich jemand nicht sicher war, welchem Geschlecht er angehörte, durfte er deswegen nicht gehänselt und gemobbt werden.
»Komm mit. Wir setzen uns jetzt zusammen in unsere gemütliche Ecke, trinken einen heißen Kakao und reden darüber.«
Sie hatten bestimmt zwei Stunden zusammen gesessen, miteinander geredet, geschwiegen und sich gegenseitig im Arm gehalten. Natürlich hatte das Benni geholfen. Besser fühlte er sich trotzdem nicht, denn schon am nächsten Morgen würde er wieder in die Schule gehen müssen. Davor graute es ihm ganz besonders. Wahrscheinlich würde er nicht einmal in der Nacht schlafen können.
Plötzlich klopfte es am Fenster. Dort war das Gesicht eines alten Mannes mit langem, weißen Bart zu sehen. Gekleidet war es in einem Mantel aus rotem und weißem Stoff und der passenden Mütze.
»Der Weihnachtsmann ist gekommen.« Benni sah zum Kalender. Es waren doch noch zweieinhalb Wochen bis Heiligabend. Was machte er denn jetzt hier? Hatte er denn nicht genug am Nordpol vorzubereiten?
Benni, der schon wieder geweint hatte, wischte sich mit dem Ärmel seines Pullovers die Tränen aus den Augen und den Schnodder von der Nase. Dann stand er auf und öffnete das Fenster. »Weihnachtsmann, was machst du denn hier?«
Der Weihnachtsmann grinste breit. »Du hast mir zwar noch keinen Wunschzettel geschrieben, trotzdem ist dein Wunsch bei mir gelandet.«
Benni griff sich mit beiden Händen an den Undercut und seufzte laut. »Ja, ich hätte gern meine langen Haare zurück.«
Der Weihnachtsmann nickte verständnisvoll. »Das ist nicht fair, dass dich die anderen Kinder wegen deiner Haare geärgert haben. So etwas macht man nicht. Allerdings kann ich dir leider deine Haare nicht zurückgeben. Abrasiert ist abrasiert. Aber ich bin mit einer ganz anderen Idee zu dir gekommen, die dir vielleicht helfen wird.« Er griff zur Mütze und zog sie sich vom Kopf. Darunter kam seine Frisur zum Vorschein. Er hatte lange, weiße Haare, die an den Seiten raspelkurz rasiert waren. Hinten baumelte ein Pferdeschwanz hin und her. »Ich habe die gleiche Frisur wie du. Ich finde, wir sehen beide damit richtig cool aus.«
Benni kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wenn sogar der Weihnachtsmann sich für diese Frisur entschieden hatte, dann konnte sie eigentlich gar nicht so verkehrt sein.
»Und Morgen gehen wir zusammen in die Schule. Dort werden wir den anderen Kindern zeigen, wie schick wir sind.«
Benni hatte den nächsten Morgen kaum erwarten können. Welches Kind konnte schon von sich sagen, mit dem Weihnachtsmann in die Schule gegangen zu sein? Genau. Kein einziges. Umso aufgeregter war er.
In den letzten Stunden hatte es, obwohl der Wetterbericht anderes vorhergesagt hatte, kräftig geschneit. So konnten die Beiden mit dem großen Rentierschlitten zur Schule flitzen.
Benni betrat als erster den Schulhof. Schon sah er, wie sich alle Blicke auf ihn richteten. Erste grinsende Gesichter waren zu sehen. Doch so schnell die Belustigung bei seinen Mitschülern begonnen hatte, so schnell erstarb sie auch. Stattdessen waren nun aufgerissene Augen und offenstehende Münder zu erkennen. Der Weihnachtsmann war gekommen.
»Ho, ho, ho.« Er stellte sich neben Benni und legte ihm seinen Arm auf die Schulter. »Ich habe gehört, dass sich hier jemand über die neue Frisur meines Kumpels lustig gemacht hat? Kann ich gar nicht verstehen. Immerhin ist das der angesagte Look dieser Wintersaison.«
Der Weihnachtsmann zog seine Mütze vom Kopf und offenbarte nun auch seinen Undercut mit Pferdeschwanz. Die Schüler waren erstaunt. Mit allem schienen sie gerechnet zu haben, nur nicht damit.
»Lasst euch eines gesagt sein: Ich bekomme alles mit und schreibe es in mein Buch. Wer sich noch ein einzige Mal über Benni und seine Frisur lustig macht und ihn hänselt, bekommt kein Geschenk zu Weihnachten.«
Das Entsetzen war den Kindern richtig anzusehen. Sie nahmen diese Drohung ernst und wollten es nicht darauf ankommen lassen.
»Vielen Dank, Weihnachtsmann. Du bist einfach der Beste.« Benni schüttelte seinem großen Helfer die Hand. »Ich glaube, jetzt komme ich alleine klar.«
Sie schüttelten sich zum Abschied die Hände, drückten sich und gingen dann wieder ihre eigenen Wege.