Nik und Nele erobern den Mond
Es war Abend geworden. Die Sonne war vor ein paar Minuten hinter dem Horizont verschwunden. Die zehn Jahre alten Zwillingsgeschwister Nik und Nele lagen seit ein paar Minuten im Bett und sollten eigentlich bald schlafen. Die tägliche Gute Nacht Geschichte hatten sie bereits von Mama vorgelesen bekommen.
»Ob die beiden schon vor dem Fernseher sitzen?« fragte Nele flüsternd in die Dunkelheit hinein.
Nik sah auf seinen leuchtenden Wecker. »Ist jetzt viertel nach acht. Die schauen jetzt ihre Lieblingsserie. Währenddessen gehen sie nicht mal zur Toilette.«
Er richtete sich im Bett auf und sah in das zweite Bett unter sich. »Hast du noch was vor oder warum hast du gefragt?«
Nele grinste, was ihr Bruder im dunklen Zimmer natürlich nicht sehen konnte.
»Ich will einmal zum Mond und zurück. Papa hat doch letzte Woche erzählt, dass da oben alles aus Käse gemacht ist.«
»Und das glaubst du natürlich nicht.«
Nele schüttelte den Kopf. »Papa erzählt so viel Blödsinn, dass ich das meiste davon gar nicht glauben mag. Also will ich selbst nachschauen, ob er Recht hat oder nicht.«
Nik seufzte und ließ sich zurück auf sein Kopfkissen fallen.
»Wie willst du das denn anstellen? Du bist keine Astronautin. Die werden dich niemals mit einer Rakete ins All schicken.«
Nele zuckte mit den Schultern. »Raketen interessieren mich eh nicht. Viel zu langsam und uncool. Opa hat mir geholfen, was besseres zu bauen.«
Jetzt musste Nik lachen. »Du hast mit Opa ein Raumschiff gebaut? Alles klar. Jetzt verstehe ich. Dann gehst du also Morgen in den Garten und spielst deine Reise zum Mond.«
»Nein.« antwortete seine Schwester entschlossen. »Mein Raumschiff ist echt. Und ich werde damit heute Nacht noch ins All starten. Ich werd es dir schon zeigen.«
Sie knipste ihre Nachttischlampe an und gab ihrem Bruder zu verstehen, dass er nach unten kommen sollte.
»Nimm Decke und Kopfkissen mit und vergiss da oben deine Kuscheltiere nicht.«
Nik war verwirrt. Was hatte das alles nur mit einem Flug ins All zu tun? Aber weil er seiner Schwester nicht den Spaß verderben wollte, machte er erstmal mit.
Nele schob nun ihr eigenes Kopfkissen zur Seite. Darunter war ein großer, roter Knopf versteckt gewesen.
»Es geht los.« flüsterte sie und drückte mit ihrer Hand kräftig darauf.
Wie von Geisterhand geführt, öffneten sich plötzlich die beiden Türen zum Balkon. Wenige Sekunden später schoben sich auf allen vier Seiten des Etagenbetts Glasscheiben nach oben und schlossen die Kinder ein.
»Damit wir im All nicht ersticken. Da oben gibt es nämlich keine Luft.« klärte Nele ihren Bruder auf.
Das Bett begann leicht zu vibrieren, später zitterte es an jedem einzelnen Brett, bevor es sich sanft erhob und durch die offenen Balkontüren nach draußen schwebte und Richtung Mond verschwand.
»Das ist ja völlig irre.« rief Nik begeistert und konnte sich an der schnell kleiner werdenden Erde unter sich kaum satt sehen.
»Wir fliegen wirklich und das auch noch komplett ohne Raumschiff und Raketen. Das wird mir niemand glauben. Hätte ich bloß meine Digitalkamera mitgenommen.«
Sie rasten an der Raumstation vorbei, die seit einigen Jahren ihre Kreise um die Erde zog. Zu gern hätten sie den Astronauten zugewunken, aber dafür war das Bett einfach zu schnell.
»Wir sind gleich da.« Nele zeigte mit dem Finger nach vorn, wo immer mehr Krater der Mondoberfläche erkennbar wurden. »Wir brauchen nur noch einen guten Landeplatz.«
Sie suchten sich eine weite Ebene aus, in der es keine Berge und Hügel gab. Dann landete das Etagenbett zum ersten Mal auf dem Boden des Mondes.
»Los! Aussteigen!« rief Nele begeistert. Sie drückte wieder den roten Knopf und ließ damit die Schutzscheiben um sie herum verschwinden.
Sie sprang nach draußen und landete mehrere Meter vom Bett entfernt.
»Hui.« war sie begeistert. »Auf dem Mond bin ich viel leichter. Ich komme mir vor wie eine Feder.«
Sie setzte sich hin und kramte in der Tasche ihrer Schlafanzugshose, aus der sie ein kleines Taschenmesser hervor holte.
»Wird Zeit für einen Test.«
Vorsichtig schnitt sie in den Mondboden und nahm ein Stück davon zwischen die Finger. Sie roch ein paar Mal daran und steckte es sich schließlich in den Mund.
»Mh, voll lecker. Papa hatte von Anfang an Recht, hättest du das gedacht?«
Nik, der noch immer im Bett saß und das alles um sich herum nicht wirklich begreifen konnte, machte nur ein verwirrtes Gesicht?
»Der Mond besteht tatsächlich aus Käse. Hast du etwa Papas Geschichte schon wieder vergessen?« Nele lachte, schnitt ein weiteres Stück zurecht und warf es ihrem Bruder zu, der nur zögerlich daran nagte.
»Wow. Das stimmt wirklich. Und ich habe immer gedacht, hier oben wäre alles aus Stein und Staub. Das habe ich nämlich mal im Fernsehen gehört.«
Langsam kam Nele zurück und setzte sich wieder auf ihre Matratze.
»Wird Zeit, dass wir nach Hause fliegen.«
Da wurde der vorsichtige Nik traurig.
»Muss das jetzt schon sein? Ich würde gerne noch eine Weile bleiben. Vielleicht entdecken wir auf dem Mond noch mehr Dinge, von denen niemand etwas weiß.«
Aber Nele ließ sich nicht erweichen. »Morgen ist Schule. Wir brauchen unseren Schlaf, sonst können wir uns nicht auf den Unterricht konzentrieren.«
Das Mädchen hatte natürlich Recht. Nik ließ es sich dafür nicht nehmen, selbst für den Start zu sorgen. Er drückte den roten Knopf, lehnte sich zurück und sah der Erde zu, wie während des Rückflugs wieder näher kam.
»Wir werden aber bald wieder ins All aufbrechen.« versprach Nele und schob sich ein letztes Stück Käse in den Mund.