An einem schönen warmen Tag im Mai bezog sich ganz plötzlich der Himmel mit schwarzen regenschweren Wolken. Ein Gewitter, wie man es selten in Westfalen sah, bäumte sich auf und es begann zu blitzen und donnern, dass man Angst bekommen konnte. Im Nu waren alle Kinder aus dem Freibad geklettert und versuchten so schnell wie möglich nach Hause zu fahren. Auch Alexander und sein bester Freund Maxi rasten mit ihren kleinen Rädern durch die Straßen nach Hause. Noch bevor sie angekommen waren fing es so heftig an zu regnen, dass sie fast glaubten zu ertrinken. Pitschnass stellten sie ihre Fahrräder in die Garage und betrachteten missmutig das Unwetter.
Währenddessen passierte einige hundert Meter weiter etwas ganz Ungewöhnliches. Die Werse, die sich gewöhnlich als kleiner Bach friedlich durch ihr Bett Richtung Ems schlängelte, war durch die Wassermassen zu einem tosenden Wildbach geworden, der keine Grenzen mehr kannte. Überall stolperte sie jetzt an ihre Böschung und plötzlich, mitten in der Stadt sprang sie darüber und ergoss ihre Wassermassen in die angrenzenden Gärten.
Erschreckt versuchten sich alle Fische auf dem Bachgrund in Sicherheit zu bringen. Nur Hugo, der kleine Hecht lachte über die feige Gesellschaft.
So schnell er konnte schwamm er über die Böschung und purzelte in den überschwemmten Garten.
Hui, war das toll. Überall war Wasser. "Wir Fische erobern das Land!", rief er und stürmte in den Garten.
Wie toll schwamm er an Komposthaufen und Obstbäumen vorbei. Die Gänseblümchen der Wiese kitzelten seinen Bauch und vor Übermut machte er einen Salto.
Als es ihm einige Zeit später langweilig wurde und er zurück in den Bach schwimmen wollte, blinkten schon wieder die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken.
Jetzt bekam er es mit der Angst zu tun, denn er fand den Überlauf nicht mehr. Aber nein, er hatte ihn ja gefunden, nur dass er schon wieder trocken war. Langsam versickerte das Wasser im Erdreich. Zum Schluss lag Hugo nur noch in einer dreckigen kleinen Schlammpfütze. Er war schon zu schwach zum Zappeln und als die Sonne begann seine empfindliche Haut auszutrocknen, sehnte er sich seinem Ende entgegen.
In diesem Moment kamen zwei kleine Mädchen in den Garten.
"Schau mal!", rief die eine, "dort liegt ein dicker Fisch in unserem Garten."
Vorsichtig legte sie Hugo in ihre Schürze.
"Uih, hat der Zähne! Da wird sich Opa aber freuen."
Saskia, so hieß das kleine Mädchen lief mit ihrer Freundin so schnell sie konnte zu ihrem Opa.
Gerade in diesem Augenblick bewegte Hugo noch einmal seine Kiemen.
"Der lebt ja noch", sagte der Opa und noch bevor er ausgesprochen hatte, liefen die beiden zum Freibad. Erst schwamm Hugo wie tot im Wasser, als ihn aber die Mädchen vorsichtig den Bauch streichelten, kam das Leben zurück in seinen grünen Körper und mit einem gewaltigen Satz sprang er Saskia aus der Hand. Die Freundinnen kreischten vor Schreck und liefen nach Hause.
Am anderen Tag kamen Groß und Klein wieder in das Freibad. Auch Alexander und Maxi waren wieder da. Nur eins war anders als am Vortage. Immer wenn man an der Leiter ins Becken kletterte, biss einem irgendjemand ganz gehörig in die Wade oder einen Zeh.
Einige Badegäste hatten schon erbost den Bademeister beschimpft und das Freibad verlassen.
Als auch Alexander gebissen wurde hielt er mit Maxi Kriegsrat; wer könnte hier die Schwimmer beißen?
Sie beschlossen ihre Taucherbrillen zu holen und nachzusehen.
Und tatsächlich beobachteten sie Hugo, der sich Zähnefletschend auf die Zehen und Waden der armen Schwimmer stürzte. "Den fangen wir heute Nacht", sagte Alexander und die beiden hielten erneut Kriegsrat. Früher als gewöhnlich fuhren sie heute nach Hause. Alexander machte sich sogar fast noch verdächtig, als er im Angelkasten seines Vaters kramte und danach ohne Murren ins Bett ging.
Punkt 23 Uhr, als es schon stockfinster war, öffnete er sein Fenster. Leise stieg er hinaus, nahm die Angelrute und radelte zu Maxi. Dieser wartete schon an der Straßenecke. Schnell fuhren sie zum Freibad.
Leise, ganz leise krochen sie durch den Zaun. Der Vollmond spiegelte sich auf dem Wasser und in der Mitte des Beckens konnten sie Hugos Rücken schimmern sehen. Je näher sie kamen, desto deutlicher hörten sie ihn schluchzen. Er hatte Heimweh und fürchtete sich in dem fremden Gewässer.
Außerdem hatte er nichts mehr im Magen und Hunger tut weh.
So weinte Hugo vor sich hin .Dicke Tränen kullerten aus seinen Fischaugen und bildeten silberne Ringe im Mondlicht. Ganz gerührt blieben Alexander und Maxi stehen. Nun hatten sie gar keine Lust mehr, den armen Hecht zu angeln.
Er würde sich bestimmt verletzen oder gar sterben.
"Die Bestie ist also gar keine Bestie", sagte Alexander. ."Wir werden ihn morgen lebend fangen", antwortete Maxi.
Wie Indianer gaben sie sich noch schnell die Hand und radelten nach Hause, wo ihr Ausflug zum Glück nicht bemerkt worden war.
Am anderen Tag hatten die beiden gar keine Lust ins Freibad zu gehen. Sie bastelten den ganzen Tag an einem großen Käscher, an dessen Ende ein dicker Wurm befestigt war.
Von den anderen Kindern erfuhren sie, dass am folgenden Tag das Freibad gesperrt werden sollte. Der Bademeister wolle das Becken leer pumpen und das Ungeheuer fangen. Verheißungsvoll blinzelten sich die beiden Jungs zu.
Punkt 23 Uhr kletterte Alexander wieder aus seinem Fenster. Maxi war diesmal noch nicht an der Ecke.
"Er hat doch den Kescher!", dachte Alexander. Über 15 Minuten, die ihm wie Stunden vorkamen, musste er warten. Dann kam endlich Maxi mit dem Kescher.
Sein Vater war noch mit seinem Jagdhund vor der Tür gewesen und Maxi musste warten, bis die beiden wieder im Haus waren.
Schnell ging es jetzt zum Freibad und durch das Loch im Zaun. Ganz vorsichtig, auf allen Vieren krabbelten sie an das Becken. Bloß jetzt keinen Fehler machen. Schon von weitem hörten sie Hugos Schluchzen. Auch das Mondlicht spiegelte sich wieder auf seinem Rücken. Am Beckenrand angekommen schoben sie den Kescher langsam in das klare Wasser. Schon hatte Hugo den Wurm entdeckt. Ein- zweimal schwamm er dicht am Käscher vorbei, dann flitzte er mit voller Geschwindigkeit hinein. Der Kescher ächzte gewaltig.
"Wir haben ihn!", jubelten die beiden Jungen und mit vereinten Kräften zogen sie ihn aus dem Wasser.
Als sie den Hecht gerade im mitgebrachten Eimer verstaut hatten, gingen überall im Freibad die Lichter an und schon kam der grimmige Bademeister angelaufen.
"Diebe!", rief er und packte sie bei den Ohren. Kleinlaut mussten sie dann ihren Eimer öffnen und erklären was sie hier um Mitternacht machten. Als sie alles erzählt hatten, ließ der Bademeister sie sofort los und vollführte einen Freudentanz. "Ihr seid ja tolle Jungs!", lobte er und schenkte beiden eine Zehnerkarte.
"Ihr bekommt Frei-Eis für immer!", versprach er und klopfte ihnen nochmals auf die Schultern.
Ganz verlegen und mit roten Köpfen verabschiedeten sie sich und fuhren mit ihrer Beute zur Olfe. Hier schenkten sie Hugo Hecht die Freiheit.
Überglücklich vollführte Hugo, nur Alexander und Maxi zu Ehren, noch drei riesengroße Hechtsprünge.
Stolz verabschiedeten sie sich jetzt und freuten sich über das erfolgreiche Abenteuer.
Seit dieser Zeit wundern sich die Eltern der beiden auch, warum der geizige Bademeister Alexander und Maxi immer mehr Eis schenkt, als die beiden essen können.