Auf der Himmelswiese spielen die Sternenkinder.
Jeden Tag spielen sie. Sie spielen Verstecken, oder Fangen. Sie bauen alle die wunderbaren Dinge, die man bauen kann, wenn man ein Sternenkind ist.
Sternenkind Maischa eine Freundin. Sie heisst Udana.
Maischa und Udana haben sich sehr lieb. Sie spielen jeden Tag zusammen.
Eines Tages ist Udana plötzlich verschwunden. Maischa sucht ihre Freundin überall. Aber sie kann sie nicht finden. Wohin mag sie nur gegangen sein?
Schliesslich geht Maischa zum Himmelsvater.
"Hast du meine Freundin Udana gesehen", fragt Maischa den Himmelsvater, "ich kann sie nirgends finden. Weißt du, wo sie ist?"
Der Himmelsvater streicht der kleinen Maischa über den Kopf.
"Ja, ich weiss, wo deine Freundin ist", sagt er, "komm mit, ich möchte dir etwas zeigen." Er geht mit Maischa zu einem sehr grossen Haus, am Rande der Sternenwiese.
Das Haus ist eine riesige Lagerhalle. In langen Reihen hängen dort alle möglichen Kleider an langen Ständern. Die Kleider sehen völlig verschieden aus. Sie haben alle möglichen Farben und Formen. Einige von ihnen sind wunderbar prächtig. Aber wahrscheinlich kann man mit denen beim Spielen nicht so gut herumtollen.
Maischa interessiert sich jedoch nicht für die Kleider.
"Ist Udana hier", möchte sie wissen, "wo versteckt sie sich."
"Nein, Udana ist nicht mehr hier", sagt der Himmelsvater, "sie ist fortgegangen, auf die Erde."
Da wird Maischa sehr traurig.
"Warum ist sie denn weggegangen", fragt sie, "und warum hat sie mir nicht auf Wiedersehen gesagt? Ich möchte auch auf die Erde!"
Der Himmelsvater lächelt.
"Ja, das kannst du. Udana wartet auch schon auf dich, dort auf der Erde. Aber so, wie du jetzt bist, kannst du nicht auf die Erde gehen. Die Leute dort würden dich gar nicht sehen. Dazu sind diese Kleider nötig. Du kannst dir eines davon auswählen."
Maischa beginnt nun die langen Reihen der Kleider zu durchsuchen. Welches soll sie wählen? Das ist eine sehr schwierige Entscheidung. Da kann ihr niemand dabei helfen. Auch der Himmelsvater nicht. Er kann nur ihre Fragen beantworten. Er kann ihr sagen, wofür die einzelnen Kleider besonders geeignet sind.
Es gibt Kleider, in denen man besonders gut und weit laufen kann, oder kräftig arbeiten. Andere haben viele, viele Taschen, in denen man alles Mögliche sammeln und auch wieder verschenken kann. Bei einigen sind grosse und kleine Spiegel aufgenäht. Und noch vieles mehr, das Maischa nicht versteht.
Plötzlich stösst Maischa auf ein sehr wunderliches Kleid. Neugierig nimmt sie es in die Hand und betrachtet es von allen Seiten. Wirklich ein sehr, sehr merkwürdiges Kleid. Es ist aus einem groben und schweren Stoff. Und es hat viele Löcher darin.
Wozu soll so ein Kleid gut sein? Darin kann man ja nicht einmal richtig laufen, und schon gar nicht spielen.
Maischa fragt den Himmelsvater: "Was ist denn das für ein komisches Kleid? Wer sucht sich denn so ein Kleid aus, um auf die Erde zu gehen? Man kann sich ja gar nicht richtig bewegen darin! Und dann die vielen Löcher! Wozu sollen diese vielen Löcher gut sein?"
Der Himmelsvater nickt und macht ein ernstes Gesicht.
"Ja, du hast recht", sagt er, "dieses Kleid ist wirklich nicht gemacht, um darin herumzurennen. Wer es trägt, wird es nicht leicht haben auf der Erde. Darum wählen es auch nur ganz besonders mutige Sternenkinder aus. Solche, die sich etwas ganz besonderes vorgenommen haben für ihre Erdenreise."
Jetzt ist Maischa neugierig geworden.
"Was haben sich diese Sternenkinder denn vorgenommen", will sie wissen.
Der Himmelsvater breitet das grobe Kleid vor Maischa aus.
"Das hat mit diesen Löchern zu tun, die du ja schon bemerkt hast", erklärt er, "durch diese Löcher scheint das Seelenlicht. Jene Menschen auf der Erde, die mit dem Herzen sehen, können auch das Seelenlicht durch die Löcher leuchten sehen. Und es gibt einige Menschen, die sogar wieder lernen, mit dem Herzen zu sehen, obwohl sie es zunächst vergessen haben."
Wenn Maischa dieses Kleid tragen würde auf der Erde, wüsste sie also sofort, wer von den Menschen dort mit dem Herzen sehen kann! Oder es vielleicht wieder lernen möchte. Dieser Gedanke gefällt Maischa sehr. Sie wählt das grobe, löchrige Kleid.
Jetzt hat Maischa nur noch eine einzige Frage an den Himmelsvater: "Wenn ich dieses Kleid trage, wird mich meine Freundin Udana dann trotzdem wieder erkennen?"
Jetzt lächelt der Himmelsvater noch einmal.
"Udana wird dich in jedem Kleid wieder erkennen. Da kannst du ganz, ganz sicher sein."
Udana hat einen anderen Namen auf der Erde. Und sie wird auch ihrem Kind einen anderen Namen geben, als Maischa. Aber ihre Seele hat auf ihre Sternenfreundin gewartet und sie auch sofort erkannt.
Udana ist Maischas Mutter.
Diese kleine Geschichte habe ich einer befreundeten Familie geschenkt, deren ältestes Kind von Geburt an körperlich und geistig behindert ist.