Während Little John als Mönch sein Glück versuchte, war Robin in Richtung Blyth unterwegs. Zunächst schien er kein Glück zu haben, denn es wurde Mittag und er hatte noch keinen Bettler getroffen. Robin war hungrig und durstig. Da sah er plötzlich einen lustigen Gesellen auf einem Zauntritt sitzen. Er hatte braune Augen und schwarze Locken. Seine Kleidung war geflickt und er hatte viele Beutel und Taschen umgehängt. "Sei mir gegrüßt, lieber Freund.", sagte Robin. "Was machst du hier? Ich würde gerne zwei Dinge mit dir besprechen." Der Bettler sah Robin an und antwortete: "Ich bin kein Kumpel für ernsthafte Dinge. Und du siehst auch nicht aus, als hättest du etwas Ernsthaftes im Kopf." "Wo bekomme ich etwas zu essen zu und zu trinken?", fragte Robin. Der Bettler lachte. "Das ist dein Problem, nicht meins. Ich esse, wenn ich etwas zu essen habe und habe ich kein Bier trinke ich Wasser." Robin deutete auf all die Taschen und meinte: "Und du hast nichts zu essen in den Taschen? Und auch nichts zu trinken?"
"Vielleicht habe ich etwas zu essen.", antwortete der Bettler. "Vielleicht gebe ich dir etwas ab, wenn du mich zu einem Bier einlädst. Das Wirtshaus dort unten braut das beste Bier weit und breit." Robin erklärte sich einverstanden und holte das Bier. In der Zwischenzeit holte der Bettler seine Schätze aus den Taschen und bereitete das Mahl vor. Als Robin zurückkam, gab es einen Schmaus, wie er Robin behagte. Als beide satt waren, sagte Robin: "Und nun zu dem zweiten Ding, dass ich mit dir besprechen wollte. Ich würde gern deine Kleider haben, um das Leben als Bettler kennen zu lernen. Ich gebe dir zwei Goldpennys, wenn du mit mir die Kleider tauschst." "Nicht jeder kann ein Bettler sein.", wehrte der Bettler ab. "Ich tausche meine Kleider nicht mit dir." "Ich geb' dir gleich mit dem Stock eins über den Schädel.", drohte Robin und nahm seinen Stock zur Hand. "Ich will die Kleider ja bezahlen." "Du bekommst keinen Zipfel von meinem Wams.", schrie der Bettler und griff ebenfalls nach seinem Stock.
Robin sprang auf die Füße und hieb dem Bettler den Stock auf den Kopf. Dieser fiel benommen ins Gras und blieb liegen. Als er wieder zu sich kam, fragte Robin: "Wie sieht es nun aus? Bekomme ich deine Kleider oder muss ich dir noch eins auf den Schädel geben?" Der Bettler sah Robin an. "Du nimmst mir nur meine Kleider?" "Versprochen." "Gut." Der Bettler nahm ein Messer, schlitze sein Wams auf und holte zehn Pfund in Gold daraus hervor. Robin pfiff durch die Zähne. "Wenn ich das gewusst hätte...", grinste er. Dann tauschten die beiden die Kleider und trennten sich.
Robin ging weiter und traf schließlich auf vier Bettler, die schmausten und zechten. Jeder trug ein Schild um den Hals. "Bin blind", "Bin taub", "Bin stumm", "Bin lahm" stand darauf. Aber alle vier Bettler erfreuten sich bester Gesundheit. Als sie erkannten, dass Robin zu ihrer Zunft gehörte luden sie ihn. "Setz dich Bruder und trink mit uns. Wir freuen uns, dich zu sehen." "Das glaube ich gern.", lächelte Robin. "Immerhin habe ich den Blinden sehend, den Tauben hörend, den Stummen sprechend und den Lahmen gehend gemacht." Da lachten die Bettler und fragten Robin, woher er käme. Als er erzählte, er sei die letzte Nacht im Sherwood-Forest gewesen, sahen sie ihn bewundernd an. "Das würde ich nicht wagen!", gab der Taube zu. "Robin Hood schneidet uns die Ohren ab, wenn er uns erwischt. Für alles Geld, das wir nach Lincoln tragen, würde ich nicht durch den Sherwood-Forest gehen."
Robin lachte und erwiderte: "Vielleicht würde er euch ja wirklich die Ohren abschneiden. Aber von welchem Geld redet ihr? Ich denke, gerade Geld haben die Bettler nicht?" "Ach, Peter York, unser König, hat uns mit diesem Geld nach Lincoln geschickt...", begann der Lahme, aber der Blinde fiel ihm ins Wort: "Still. Wir kennen ihn doch gar nicht!" Dann wendete er sich an Robin: "Nichts für ungut, Bruder. Sag zuerst, was du eigentlich bist? Bist du ein Klinkenputzer oder Fechtbruder? Spielst du den Aussätzigen oder vielleicht sogar den Verrückten? Oder bist du einfach ein Stromer?"
Robin sah die Bettler an. "Wovon redet ihr? Ich verstehe kein Wort." Die Bettler erschraken. Der Blinde fragte: "Du treibst Scherze mit uns, oder? Natürlich weißt du, wovon wir reden! Beantworte mir diese Frage: Brauchst du eine Lauseharke, um die Sore zu köpfen?" Robin schüttelte den Kopf. "Seid ihr denn alle verrückt geworden? Lasst mich mit diesem Unsinn in Ruhe!"
Der Blinde sprang auf und schrie: "Er ist ein Spion! Los, Männer! Er hat zu viel gehört. Er muss sterben. Auf ihn!" Und die Bettler stürzten sich auf Robin, der blitzschnell aufsprang und nach seinem Stock griff. Zweimal sauste sein Stock durch die Luft, dann lag der Blinde im Gras und rührte sich nicht mehr. Robin sprang auf den Stummen los, der ebenfalls wenig später regungslos im Gras lag. Die beiden anderen rannten davon so schnell sie nur konnten. Der eine nach links, der andere nach rechts. Robin lachte und beugte sich über die beiden, die zu Boden gegangen waren. Da beide keinen Mucks von sich gaben, durchsuchte Robin ihre Kleidung, denn er wollte wissen, von welchem Geld die Bettler geredet hatten.
Im Wams des Blinden fand er einen Beutel in dem sich vier in gegerbte Schafshaut gewickelte Rollen befanden. Robin staunte nicht schlecht, als er in jeder dieser Rollen fünfzig Pfund in Gold fand. "Ich habe schon oft gehört, dass die Bettlergilde schwer reich sein soll.", dachte Robin. "Aber dass sie Bettler mit solchen Summen übers Land schickt, hätte ich nicht gedacht. Besser ist, wenn ich das Geld an mich nehme. Ich werde es für wohltätige Zwecke verwenden." Rasch steckte er das Geld ein und ging seiner Wege. Die vier Bettler aber ärgerten sich sehr, dass sie das Geld für die Schatzkammer in Lincoln an Robin Hood verloren hatten.
Robin pfiff ein fröhliches Lied. Das Bettler-Leben begann ihm zu gefallen. Als er an die Wegkreuzung bei Ollerton kam, beschloss er, ein wenig zu rasten und dann umzukehren. Als er so im Gras saß und sich ausruhte, sah er einen Reiter herankommen. Der Mann war schrecklich mager und sein Pferd hatte ebenso hervorstehende Rippen wie er. Robin erkannte den Mann sofort. Es war ein reicher Kornhändler aus Worksop. Robin musste über lachen, denn statt Schuhen trug der Kornhändler Holzpantinen mit einer dicken Sohle.
Als der Mann heran gekommen war, sagte Robin: "Habt Mitleid mit einem armen Bettler. Schenkt mir ein paar Pennys, damit ich Brot kaufen kann." "Lass mich mit deinem Geschwätz in Ruhe. Ich habe keinen Penny. Und wenn du Robin Hood persönlich wärst, du würdest kein Geld bei mir finden. Ich bin nicht so dumm, dass ich Geld dabei habe, wenn ich so nahe am Sherwood-Forest vorbeireite."
"Nun, dann sind wir beide schlau.", meinte Robin. "Ich bin kein Bettler. Siehst du, wie sauber ich bin? Ich habe mich nur verkleidet, damit Robin Hood dies hier nicht findet!" Er holte das Geld der Bettlergilde hervor und zeigte es dem Kornhändler. "Um Himmels Willen!", entfuhr es hageren Mann. "Steck' das weg! Bist du verrückt, so viel Geld bei dir zu tragen, wenn du in der Nähe des Sherwood-Forest herum laufen musst? Ich muss nach Grantham. Ich werde Newark übernachten, denn es wird bald dunkel. Wohin für dich dein Weg?" "Wie der Zufall will, muss ich nach Newark. Wir können zusammen gehen, wenn ich nicht störe." "Jetzt, da ich weiß, dass Ihr kein Bettler seid, könnt Ihr mit mir gehen. Nur Bettler verabscheue wirklich!"
Der Kornhändler gab seinem mageren Pferd die Sporen und Robin lief gemächlich daneben her. Kurz vor Sherwood warnte der Kornhändler: "Jetzt kommt der gefährlichste Teil der Strecke." "Hoffentlich kommt nicht Robin Hood aus dem Gebüsch.", jammerte Robin und tat sehr ängstlich. "Sicher nimmt er mir mein ganzes Geld ab. Hätte ich doch so wenig Geld dabei wie du!" "Hör mit dem Gejammer auf!", fuhr der Kornhändler ihn an. "Sei still. Ich habe nicht viel weniger Geld bei mir als du. Aber ich habe es besser versteckt und Robin Hood wird es nie finden! Du bist ein ehrlicher Mann, also will ich dir mein Versteck verraten. Hast du meine Holzpantinen gesehen?" Robin nickte. "Die kann man ja gar nicht übersehen!" Der Kornhändler lachte. "Und genau dort ist mein ganzes Geld versteckt. In meinen Schuhsohlen. Da kommt nicht einmal Robin Hood drauf. Soll er ruhig kommen. Ich fürchte mich nicht!"
Robin brach in schallendes Gelächter aus und griff in den Zügel des Pferdes. "Kein schlauerer Fuchs ist mir untergekommen als du!", lachte er. "In den Sohlen deiner Schuhe. Nein, da wäre ich wirklich nicht drauf gekommen." Der Kornhändler war blass geworden. "Was soll das? Lass mein Pferd los. Und rede nicht so laut über mein Geld. Nicht hier! Das kannst du machen, wenn wir in Newark sind."
"Oh!", meinte Robin. "Ich glaube, ich bleibe doch hier in der Gegend. Ich habe viele gute Freunde hier. Und außerdem gefallen mir deine Pantinen. Also, runter damit. Gib sie mir." "Wer bist du, dass du auf einmal so mit mir redest?", stotterte der Kornhändler. "Nun, man nennt mich Robin Hood. Ich möchte deine Pantinen haben. Gib sie mir schnell. Und dann sieh zu, dass du noch vor Einbruch der Dunkelheit Newark erreichst!"
Der Kornhändler bekam Angst als er sah, dass er Robin Hood vor sich hatte. Er streifte die Pantinen von den Füßen und reichte sie Robin. "Guter Mann, eigentlich lade ich die Leute, mit denen ich zu tun habe, zu einem Festmahl in mein Lager ein. Aber ich denke, meine Männer kennen dich, genauso wie dich kenne. Sie würden nicht sehr nett mit dir umspringen. Also, reite rasch weiter und wage dich nie wieder so dicht an den Sherwood-Forest heran. Ich bin nicht immer bei dir und kann auf dein Wohl acht geben." Damit versetzte er dem Pferd einen Klaps, so dass es sich in Bewegung setzte.
Robin kehrte in den Sherwood-Forest zurück. Dort brannten die Lagerfeuer und Robin und Little John gaben ihre Abenteuer zum Besten. Obwohl alle aufmerksam lauschten, konnte man sich nicht einigen, ob nun das Leben des Mönches Little John oder das des Bettlers Robin lustiger gewesen war.