Am Morgen lagen wir ungefähr eine halbe Meile südöstlich vor der flachen Ostküste. In der Nähe der Küste waren gelbe Sandbänke und viele hohe Nadelbäume. Ein großer Teil der Insel wurde von graufarbigen Wäldern bedeckt. Die Berge ragten deutlich mit nackten, kahlen Felsen über die Vegetation hinaus.
Wir hatten eine langweilige Morgenarbeit vor uns, denn das Schiff musste mit Hilfe von Booten drei oder vier Meilen um die Spitze der Insel in die enge Passage zum Hafen hinter der Skellett-Insel manövriert werden. Die ganze Zeit über stand der lange John beim Steuermann und dirigierte das Schiff in die Einfahrt. Er kannte die Passage wie seine eigene Tasche.
Wir brachten das Schiff genau an die Stelle, wo der Anker in die Karte eingezeichnet war. Der Boden hier war reiner Sand, das Ufer meist flach. Der Platz war ganz von Land umgeben und von Wald eingeschlossen. Zur Zeit der Flut reichte das Wasser bis an die Baumstämme. Vom Schiff aus konnten wir nichts von einer Hütte oder von Palisaden sehen. Man hätte meinen können, wir seien die ersten Menschen, die hier ankerten.
Seit wir in der Nähe der Insel waren, änderte sich das Benehmen der Männer. Sie lagen an Deck herum und unterhielten sich knurrend miteinander. Der harmloseste Befehl wurde mit einem finsteren Blick entgegengenommen und nur widerwillig und nachlässig ausgeführt. Wie eine Gewitterwolke drohte uns die Meuterei, das war nur zu deutlich.
Nur John Silver war stets freundlich und höflich. Wenn ein Befehl gegeben wurde, antwortete er bereitwillig: "Ay, ay, Sir!". Wenn gar nichts zu tun war, stimmte er ein Lied nach dem anderen an, so als wollte er die schlechte Stimmung der Mannschaft verdecken.
Wir beratschlagten in der Kajüte, was wir tun können. Der Kapitän sagte zu uns: "Wir haben im Moment nur einen Mann, auf den wir uns verlassen können, und das ist Silver. Er will das Gleiche wie Ihr und ich, nämlich die Leute beruhigen. Wir müssen ihm die Gelegenheit geben, mit den Leuten zu reden. Erlaubt, Baron, dass die Männer einen Nachmittag an Land gehen."
Diesem Vorschlag wurde zugestimmt. Alle zuverlässigen Männer bekamen geladene Pistolen. Hunter, Joyce und Redruth wurden in unsere Pläne eingeweiht.
Der Kapitän ging an Deck und sprach zur Mannschaft: "Jungs, wir hatten einen heißen Tag und sind alle müde und verstimmt. Ein Ausflug an Land wird deshalb keinem schaden. Ihr könnt die leichten Boote nehmen und wer Lust hat, kann den Nachmittag an Land verbringen. Mit einem Kanonenschuss werde ich eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang das Zeichen zur Rückkehr geben."
Im Nu hatten die Kerle ihre schlechte Laune vergessen und schrien: "Hurra!". Der Kapitän verschwand und überließ es Silver, den Ausflug zu organisieren. Sechs Burschen wollten an Deck bleiben, und die übrigen dreizehn, einschließlich Silver, begannen in die Boote zu klettern.
In diesem Augenblick kam mir der erste jener verrückten Gedanken in den Sinn, die dazu beigetragen haben, unser Leben zu retten. Wenn Silver sechs Männer zurück gelassen hatte, so war es klar, dass unsere Partei das Schiff nicht übernehmen konnte, aber es war ebenso klar, dass man meine Unterstützung im Moment nicht benötigte. Sofort kam mir der Gedanke, mit an Land zu gehen. Im Nu war ich über die Bordwand geklettert, kauerte mich in den Vorderteil des nächsten Bootes, und fast im selben Augenblick stieß das Boot ab. Niemand beachtete mich.
Unser Boot war schneller als die anderen. Sein Bug stieß zwischen den Bäumen ans Ufer, ich griff einen Ast, schwang mich daran hinaus und ließ mich in das nächste Dickicht fallen. Silver und die anderen waren noch weit hinter uns. "Jim! Jim!", hörte ich ihn rufen, aber ich sprang und rannte immer geradeaus, bis ich nicht mehr laufen konnte.