Die Region des Flusses Don in England zwischen Sheffield und Doncaster ist der Hauptschauplatz unserer Geschichte. Es geht die Sage, dass hier der Drache von Wantlay gehaust habe. Außerdem fand hier die blutige Schlacht zwischen den Adelshäusern der weißen und der roten Rose statt.
Wamba
Wir befinden uns gegen Ende des zwölften Jahrhunderts. König Richard I., war in österreichischer Gefangenschaft. Während seiner Abwesenheit hatten sich die Zustände in der ärmeren Bevölkerung mehr und mehr verschlechtert und sein Bruder, Prinz John, versuchte die Macht an sich zu reißen.
Seit Generationen kämpften die Normannen, aus dem heutigen Frankreich, gegen die Angelsachsen und hatten in der Schlacht von Hastings einen großen Sieg davongetragen. Was zur Folge hatte, dass der Hass zwischen beiden Ländern nur größer wurde.
Die normannisch-französische Sprache wurde zur Sprache der Ehre und Ritterlichkeit erklärt. Dagegen blieb das kraftvolle Angelsächsisch den Bauern und Knechten. Es entstand eine Kluft zwischen Normannen und Engländern, die in den Herzen tiefe Wunden hinterließ.
Die Geschichte beginnt auf einer Waldlichtung, in deren Mitte eine uralte Eiche stand. Zwei Männer lehnten an unbehauenen Steinen, die offenbar einen Kreis bildeten. Der Ältere hatte ein rohes, wildes Aussehen, einfache Kleidung, die ihm bis zum Knie reichte und ihn wie einen schottischen Highlander wirken ließen. Die Füße steckten in Sandalen, die mit Bärenhautriemen befestigt waren.
Seine Haare wucherten wild und waren von der Sonne zu einem rötlichen Braun versengt worden. Um seinen Hals trug er einen Messingreif, der zusammengelötet war. Darauf stand in angelsächsischen Buchstaben: "Gurth, Sohn des Beowulph, geborener Leibeigener des Cedric von Rotherwood."
Neben Gurth, dem Schweinehirten des Sir Rotherwood, saß ein etwa zehn Jahre jüngerer Mann, dessen Kleider aus besserem, jedoch auffallend buntem Stoff waren. Um die Arme trug er dünne Silberspangen und um den Hals denselben Messingreif mit der Aufschrift: "Wamba, der Sohn des Witless, Leibeigener des Cedric von Rotherwood." Auf dem Kopf hatte er eine Mütze, die spitz zulief und an deren Ende kleine Glöckchen baumelten.
Daran konnte man ihn sofort als einen jener Hofnarren erkennen, die sich Adlige damals zum Zeitvertreib hielten.
Wie im Äußeren waren die beiden Männer auch im Wesen sehr unterschiedlich. Gurth blickte traurig und niedergeschlagen zu Boden, während Wambas Blick eher selbstgefällig schien.
"Diese verfluchten Schweine", schimpfte Gurth, der mit seinem Horn vergeblich versuchte die Herde einzusammeln. Er rief seinen Wolfshund, Fangs, und wollte mit Wamba die Tiere einfangen. Doch der meinte:
"Überlass das Borstenvieh nur seinem Schicksal. Es dauert nicht lange und es wird sowieso normannisch sein."
"Das verstehe ich nicht. Wie meinst du das?", fragte Gurth.
"Das lebende Tier von angelsächsischen Sklaven gehütet hat einen angelsächsischen Namen, nämlich Schwein. Wenn es aber geschlachtet in das Schloss kommt vor die hochwohlgeborenen Münder, dann bekommt es einen normannischen Namen und wird zum Pork."
"Du hast Recht, Wamba. Sie haben uns alles genommen. Sogar unsere Sprache. Die Luft, die sie uns noch lassen, ist nur dazu da, damit wir weiter für sie arbeiten können. Sie nehmen das Beste für ihre Tafel, die Lieblichsten für ihr Bett und die Tapfersten für ihre Truppen. Cedric, unser Herr, tut sein Bestes. Aber dieser Reginald Front de Boeuf, wird bald alle Bemühungen zunichtemachen."
"Pass auf, was du zu wem sagst, Gurth. Ich könnte dich verraten und schon morgen hängst du an einem Baum", drohte Wamba.
"Du willst mich verraten?", fuhr Gurth auf.
"Dich verraten? - Still, ich höre Hufschläge."
Aus der Ferne vernahmen die Männer nicht nur Pferde, sondern auch Donnergrollen. Erste riesige Tropfen ließen sie die Herde eilig vor sich hertreiben.
Die Reiter hatten Gurth und Wamba bald eingeholt. Es waren zehn Männer. Zwei Anführer, mit augenscheinlich je vier Mann Gefolge. Der eine war offenbar ein hochrangiger Geistlicher. Trotz der eleganten Kleidung konnte man erkennen, dass er zum Orden der Zisterziensermönche gehörte. Seine Augen verrieten, dass er weltlichen Genüssen nicht abgeneigt war.
Ihm folgten vier Mönche desselben Ordens, die miteinander lachten und scherzten.
Der Begleiter des Geistlichen war ungefähr vierzig Jahre alt, groß und schlank. Seinen Kopf zierte eine pelzbesetzte, scharlachrote Kappe. Sein Gesicht war von der Sonne gegerbt. Seine Kleidung glich der eines Ritters. Unter dem edlen Umhang zeigte sich ein feinmaschiges Kettenhemd, und ein zweischneidiger Dolch befand sich an seinem Gürtel.
Ihn begleiteten zwei Knappen und dahinter folgten zwei dunkelhäutige, orientalisch gekleidete Diener mit weißen Turbanen.
Dieser ungewöhnliche Trupp erregte die Aufmerksamkeit von Wamba und Gurth. Wamba erkannte den Mönch als den Prior der Abtei von Jorvaulx, Prior Aymer. Über ihn wurde viel gesprochen. Er liebte nicht nur den Sport, sondern auch schöne Frauen. Dennoch war er sowohl beim Adel als auch beim Volk beliebt, weil überaus freigiebig war.
Die beiden grüßten den Prior und erhielten einen Segen zur Antwort. Dann fragte er, ob sie nicht jemanden wüssten, der einen demütigen Diener der Kirche mit seinem Gefolge für eine Nacht aufnehmen würde.
Wamba befand das Wort demütig für nicht sehr angebracht, behielt dies aber klugerweise für sich. "Wenn die Herren einen reich gedeckten Tisch und eine komfortable Unterkunft wünschen, empfehle ich die Priorei von Brinxworth. Sollten sie lieber einen Abend in Buße verbringen wollen, gibt es die Einsiedelei von Copmanhurst."
Der Prior schüttelte den Kopf und erklärte, dass er lieber bei Laien einkehren wolle, um denen die Gelegenheit zu geben, Gott zu dienen, indem er einem Diener Gottes diene. Dann fragte er nach dem Weg zum Anwesen von Cedric von Rotherwood.
Nun meldete sich Gurth zu Worte, der ebenso wenig wie sein Gefährte wollte, dass die Gesellschaft bei ihrem Herrn absteigt. "Der Weg ist schwer zu finden. Außerdem geht Cedrics Familie früh zur Ruhe."
"Schweig", rief der Reiter im Kettenhemd und griff bereits nach seinem Dolch. Doch der Prior griff ein.
"Haltet ein Bruder Brian!", und an Wamba gerichtet. "Dieser Bruder ist vom Orden der Tempelritter und hat sein ganzes Leben gekämpft, um das Heilige Grab zu erobern. Ich vergebe euch eure Ausreden und ihr zeigt mir den Weg zu Cedrics Haus."
"Nun gut. Ihr müsst diesem Pfad folgen, bis Ihr an ein im Morast fast völlig versunkenes Kreuz gelangt. Dort müsst Ihr links abbiegen. So erreicht Ihr die Herberge noch vor Ausbruch des Unwetters."
Der Prior dankte und sie ritten davon.
"Wenn sie deinem Rat folgen, Wamba, erreichen sie Rotherwood nie. Mit viel Glück kommen sie bis nach Sheffield", sagte Gurth.
"Ja", kicherte der Narr. "Und da gehören sie auch hin. Stell dir vor, wenn Prior Aymer unsere schöne Lady Rowena zu Gesicht bekäme. Ich denke, wir beide wissen von nichts und halten unseren Mund, wie es sich für gute Diener gehört."