Mein neuer Besitzer, Nicholas Skinner, wird mir immer im Gedächtnis bleiben; allein schon wegen seiner Hakennase, dem finsteren Blick und den Zähnen wie eine Bulldogge. Ich glaube, für ihn hatte auch der arme Sam gearbeitet.
Skinner besaß eine große Anzahl verwahrloster Droschken und unzuverlässiger Kutscher. So schlecht, wie er seine Kutscher behandelte, behandelten diese wiederum die Pferde.
An manchen Sonntagen wurde eine Droschke einen ganzen Tag lang an junge Männer vermietet. Die musste ich dann viele Meilen über Land zeihen. Bergauf kam keiner auf die Idee, abzusteigen - auch wenn es noch so steil war. Es gab Tage, da fühlte ich mich richtig krank, dann konnte ich nicht einmal mehr fressen.
Hier war nichts mehr zu spüren von der guten Behandlung, die Jerry uns Pferden hatte zuteilwerden lassen. Es gab keine Ruhepausen und die Kutscher waren so grob wie mein neuer Herr. Manchmal schlugen sie mich mit einer Peitsche, an deren Ende etwas Spitzes hing, bis ich blutig war. Trotz aller Empörung gab ich mein Bestes. Denn von Ginger hatte ich gelernt, dass es keinen Sinn machte, sich gegen Menschen aufzulehnen. Sie waren nun mal stärker als wir.
Mehr als einmal wünschte ich mir, dass ich einfach während der Arbeit tot umfallen würde. Nun konnte ich Ginger verstehen. Einmal hätte sich mein Wunsch fast erfüllt.
Es war an einem Tag, an dem wir schon einige Fahrten hinter uns hatten. Wir befanden uns gerade am Bahnhof, als ein lauter Mann mit seiner Frau, einem kleinen Buben und einem jungen Mädchen unseren Dienst suchte.
Das Mädchen rief: "Aber Papa! Dieses arme Pferd kann uns und unser schweres Gepäck doch niemals ziehen!" Doch mein Kutscher widersprach und obwohl der Gepäckträger ebenfalls Zweifel zeigte, wurde das wuchtige Gepäck in die Droschke gehievt. Ich spürte, wie die Sprungfedern der Droschke sich senkten.
Das Mädchen ließ keine Ruhe, bis ihr Vater streng rief: "Grace, jetzt mach hier keinen Aufstand! Wenn der Kutscher sagt, dass es in Ordnung geht, dann wird das schon so sein. Halt den Mund!"
Das mitfühlende Kind gehorchte, während ein Koffer nach dem anderen eingeladen wurde. Als es losging, merkte ich, dass die Droschke ungewöhnlich schwer war. Das konnte aber auch daran liegen, dass ich seit dem frühen Morgen weder Futter noch Pause hatte. Trotzdem gab ich wieder mein Bestes …
… bis zum Ludgate Hill. Dort brach ich trotz Peitsche und ständigem Antreiben einfach zusammen. Ich fiel zur Seite und lag regungslos da. Wie im Traum hörte ich fluchende Ausrufe, registrierte das Abladen der Koffer und hörte die sanfte mitleidige Stimme, die sagte: "Herrje, das ist allein unsere Schuld, das arme Tier!" Meine Riemen wurden gelöst und ich hörte Stimmen, die riefen: "Er ist tot!"
Ein Polizist eilte herbei. Ich konnte lediglich ein wenig keuchen. Man verabreichte mir Stärkungsmittel und kippte mir kaltes Wasser über den Kopf. Später deckte mich jemand zu. Als ich nach einer langen Zeit aufwachte, konnte ich nach mehreren Versuchen wieder auf meine Beine stehen. Jemand brachte mich in einen naheliegenden Stall, wo ich in eine Box mit dicker Streu gelegt wurde. Außerdem bekam ich Haferschleim.
Bis zum Abend war ich so erholt, dass man mich wieder zu Skinner brachte. Der ließ mich am nächsten Morgen vom Tierarzt untersuchen, der ihm erklärte: "Dieses Tier ist einfach nur überlastet. Dem fehlt gar nichts. Gönnen Sie ihm ein wenig Erholung im nächsten halben Jahr."
Man kann sich ja denken, was Skinner davon hielt. Er habe keine Möglichkeit, alte kranke Pferde durchzufüttern, sagte er. Entweder er arbeitet, oder er muss weg. Da ermutigte ihn der Tierarzt, mir bis zum nächsten Pferdemarkt, der in zehn Tagen stattfinden sollte, gute Pflege zuteilwerden zu lassen. Dann würde Skinner noch einen angemessenen Betrag für mich erhalten.
Widerwillig tat Skinner, wie ihm geheißen. Als er mich dann gut genährt und gepflegt auf diesen Pferdemarkt brachte, war ich sicher, dass es sich lohnte, zu leben. Jeder neue Platz konnte nur besser sein. Deshalb ließ ich den Kopf nicht hängen sondern hob ihn stolz an und hoffte auf bessere Zeiten.