Ein anderes Mal, als wir wieder zusammen auf der Weide standen, erzählte Ginger mir die Geschichte ihrer ersten Stellung. "Nachdem ich damals ausgebildet war, verkauften sie mich an einen Pferdehändler. Der spannte mich einige Wochen lang mit einem anderen Fuchs zusammen.
Danach kaufte mich ein vornehmer Herr aus London. Bisher war ich schon mit einem Aufsatzzügel gefahren, doch der neue Herr straffte die Zügel noch mehr, weil er meinte, das sähe schöner aus. Du hattest Glück, weil du nie so einen Zügel erdulden musstest. Ich kann dir nur sagen, es ist schrecklich. Stell dir vor, du wirfst den Kopf im Spaß hoch und an der höchsten Stelle wird er dir dann festgezurrt - und mit einem Ruck dann noch höher, dass du die Schmerzen im Nacken kaum aushalten kannst. Außerdem musst du dabei zwei Gebisse tragen, dass dir der Schaum im Mund vom Blut ganz rot gefärbt wird. Wenn ich dann mal ungeduldig aufstampfte, weil es kaum auszuhalten war, bekam ich gleich die Peitsche."
"Ja kümmerte sich denn dein Herr gar nicht um dich?", fragte ich.
"Aber nein. Er wollte nur zwei schöne Prachtpferde haben. Ich denke, dass er gar nichts von Pferden verstand. Er verließ sich auf seinen Kutscher, der ihm erzählte, ich wäre ein überaus nervöses Tier und nicht an solche Zügel gewöhnt. Aber er würde mich schon richten. Doch weil er es nicht hinkriegte, bekam ich nur Ärger. Eigentlich war ich willig, doch weil man mich unnötig quälte, wurde ich immer wilder und unbezähmbarer. Obwohl ich eigentlich ein friedliches Pferd bin.
Als ich dann eines Tages in der Wut die Riemen des Zaumzeugs zerriss, schickte man mich auf den Pferdemarkt. Und trotz meiner Fehler kaufte mich ein anderer Pferdehändler - wegen meiner hübschen Erscheinung und meines guten Ganges. Er probierte verschiedene Gebisse bei mir aus und fand endlich das Problem. Nach einiger Zeit fuhr er mich ohne Aufsatzzügel und konnte mich als völlig sicheres Tier an einen Gutsbesitzer verkaufen. Das war ein guter Herr und es gab nichts zu beklagen, bis der alte Knecht ging.
Der neue Knecht glich dem hartherzigen Samson. Wenn ich nicht absolut folgte, malträtierte er mich mit der Mistgabel und schlug mir auf die Sprunggelenke. Bald hasste ich ihn für seine rohe Art, ließ mich aber nicht unterkriegen. Dazu war ich viel zu temperamentvoll.
Eines Tages biss ich ihn, weil er mir die Reitpeitsche über den Kopf gezogen hatte. Danach durfte er nicht mehr in meine Nähe kommen, ich hätte ihn sofort meine Hufe oder die Zähne spüren lassen. Und weil mein Herr, der eigentlich ganz freundlich war, auf seinen Knecht hörte, verkaufte man mich wieder.
Der Pferdehändler, der mich das letzte Mal verkauft hatte, hörte davon und vermittelte mich dann wenige Wochen vor dir an diesen Ort hier. Vorsichtshalber betrachte ich nun alle Menschen als meine Feinde."
"Aber John oder James musst du doch nicht beißen", entgegnete ich.
"Einmal habe ich James gebissen. Auf Johns Anraten hin, hat er mich nicht gestraft sondern kam später mit verbundenem Arm zu mir, brachte mir Kleiebrei und streichelte mich. Seither habe ich nicht mehr gebissen."
Damals tat mir Ginger unendlich leid, obwohl ich zu Beginn glaubte, dass sie ein wenig übertrieb. Später sah ich, wie sie sanfter wurde und ihren trotzigen Blick verlor. Einmal sagte James: "Als ich Ginger heute Morgen streichelte, hat sie gewiehert. Ich glaube, sie mag mich."
John lachte nur: "Das liegt sicher an den Birtwick-Pillen. Ginger ist bald so sanft wie Black Beauty." Er meinte, dass Birtwick-Pillen eine Mischung aus Geduld, Freundlichkeit, Beständigkeit und Güte, vermischt mit gesundem Menschenverstand, die beste Medizin sei.
Dies sagte er auch unserem Herrn, dem die positive Veränderung auch aufgefallen war. Der verstand auch den Scherz, den John immer mit den Birtwick-Pillen machte.