Der Maulwurf trat ein in sein Haus. Er nahm die Laterne vom Haken an der Wand und es dauerte nicht lange, bis der Vorhof in hellem Licht erstrahlte. Als die Ratte sich umsah, entdeckte sie auf der einen Seite eine Gartenbank, gegenüber stand ein Rasenroller. Ja, der Maulwurf war penibel. Er mochte es nicht, wenn andere auf seinem Grundstück herumwühlten.
An den Wänden hingen Regale mit Kräutern und Konsolen. Im Vorhof gab es zudem eine Kegelbahn, die von Bänken umgeben war und einen kleinen Goldfischteich, dessen kreisförmige Öffnung mit Herzmuscheln eingefasst war. Im Teich war eine kunstvoll aufgebaute silberne Glaskugel, die den gesamten Vorhof im Spiegel erscheinen ließ. Der Maulwurf strahlte bei diesem Anblick übers ganze Gesicht.
Dann traten sie endgültig ins Maulwurfhaus ein. Als jedoch das Licht das Innere des Hauses bestrahlte, konnte man als erstes die dicke Staubschicht sehen, die sich im Laufe seiner Abwesenheit festgesetzt hatte. Auf den ersten Blick, machte alles einen trübseligen Eindruck. Da begann der Maulwurf wieder entmutigt zu weinen.
Entsetzt schlug er die Pfoten vors Gesicht und rief: "Oh Rattenschätzchen! Wieso sind wir nur hierher gekommen? Bei dir am Fluss wäre es viel schöner gewesen, wir könnten längst am wärmenden Feuer sitzen - und jetzt, sitzen wir hier in dem engen, erkalteten Loch und dazu in einer solchen Nacht."
Die Ratte jedoch war da ganz anderer Meinung. Sie rannte von einer Tür zur nächsten, guckte in Schränke und Zimmer, zündete Kerzen an und rief: "Was für ein prachtvolles Heim! Alles gescheit organisiert, geplant und alles hat seinen Platz! Wir werden hier ein rechtschaffenes Feuer entzünden und dann haben wir eine unvergessliche Nacht. Und die Schlafkojen in der Wand - war das deine eigene Idee? Ich hole jetzt Holz und du wischst den Staub ab."
Durch die Glückseligkeit seines Freundes ermutigt, bewegte sich der Maulwurf, um ein Staubtuch zu holen. Mit viel Eifer polierte er Tische, Stühle und Schränke. Dank der Ratte knisterte bald ein Feuer im Kamin. Doch da hatte der Maulwurf schon seinen nächsten Tiefpunkt erreicht. Verzweifelt saß er auf seinem Sofa, das Gesicht in den Pfoten vergraben.
"Rattenschätzchen", rief er entsetzt, "ich habe nichts zu Essen im Haus, nicht einmal einen kleinen Krümel habe ich in der Vorratskammer!"
"Dass du auch so eine Memme sein musst", antwortete die Ratte. "Reiß dich zusammen. Ich habe einen Büchsenöffner gesehen, also muss es doch irgendwo auch eine Büchse geben; Sardinen oder so was. Los, hilf mir suchen!"
Da zogen die Beiden los, Vorräte zu suchen. Bald hatten sie in den Schränken und Schubladen eine Sardinendose und eine Packung Schiffszwieback gefunden und noch Mettwurst. "Ein Festmahl!", rief die Ratte erfreut.
"Aber kein Brot", jammerte der Maulwurf, "keine Butter und kein ..."
"Ja, der Sekt fehlt und die Entenleberpastete auch", sagte die Ratte grinsend. Dann hüpfte sie auf, ging in den Keller und kam mit zwei Flaschen Bier wieder zurück. "Na was willst du eigentlich? Dir fehlt es doch wahrlich an nichts!" Der Ratte gefiel die Wohnung des Maulwurfs ausnehmend gut, was sie ihrem Freund auch sagte. "Erzähl mal, wie bist du zu dieser hübschen Wohnung gekommen?", fragte die Ratte.
Und während sie den Tisch deckte, begann der Maulwurf zögerlich zu erzählen. Er beschrieb, wie er das Haus geplant hatte, was er von seiner Tante geerbt und das eine oder andere günstig gekauft hatte. Zu jedem seiner Besitztümer gab es eine Geschichte zu erzählen. Der Maulwurf wurde regelrecht gesprächig darüber, dass er beinahe das Essen darüber vergaß.
Der Ratte knurrte bereits der Magen, doch sie zeigte brav Interesse an den Beschreibungen. Als sie den Freund endlich zum Esstisch gelenkt hatte und die Ratte im Begriff war, den Sardinendosenöffner zu betätigen, hörten sie Geräusche auf dem Vorhof. Es glich dem Trippeln kleiner Füße auf Kieselsteinen und feine Stimmchen murmelten draußen.
Lediglich Teile des Gesprächs konnte man drinnen hören: "Stellt euch der Reihe nach auf!", war zu hören, oder "Wo ist denn der kleine Bill? Beeilt euch endlich."
Die Ratte fragte, was das denn bedeuten solle. Der Maulwurf ahnte schon, was da gleich geboten sein würde... "Das sind sicher die Feldmäuse. Im Advent ziehen sie um die Häuser und singen Weihnachtslieder. Maulwurfs-End bildet immer den Abschlussauftritt. Dann bekommen sie warmen Tee und wenn ich was da habe, auch Abendbrot. Oh, ich freue mich so, sie zu hören. Wie früher!"
"Dann öffnen wir doch die Tür. Ich will sie sehen!", rief die Ratte.
Das Bild vor der Haustüre war einmalig. Um die zehn Feldmäuse standen im Halbkreis vor der Tür; rote dicke Schals aus Wolle um den Hals, die Vorderpfoten in der Manteltasche und in der Kälte von einem Bein aufs andere hüpfend. Sie kicherten, blickten scheu zur Tür und gelegentlich wischte sich eine von ihnen die Nase mit dem Ärmel ab.
Wie die Türe aufging, erhoben sich die Stimmchen und das erste der festlichen Adventslieder erklang über den Vorplatz von Maulwurf-End. Als die Stimmen verstummten, erklang von weit her das Freudengeläut der Glocken. Die Ratte rief erfreut: "Ihr habt wunderbar gesungen, kommt herein und wärmt euch auf. Es gibt was Warmes zu trinken."
Der Maulwurf schloss sich der Einladung an und wie die Tür hinter allen zugefallen war, fiel er schon wieder in seinen Sessel. "Oh Rattenschätzchen, wir haben doch gar nicht so viel zu trinken im Haus", rief er wieder verzweifelt. Doch die Ratte hatte schnell eine Lösung parat. Sie schickte eine der Feldmäuse zum nächsten Laden. "Du gehst jetzt und besorgst... Ja, ein Pfund", hörte der Maulwurf nur bruchstückhaft. Mit einem Einkaufskorb in der Hand ging die Feldmaus los.
Die anderen Mäuse hockten auf der Bank, die baumelnden Beine wurden langsam warm in der Hitze des Kaminfeuers. Dazu begann die Ratte, aus dem Bier ein Glühbier zu kochen. Bald saßen die Mäuse lachend und erzählend am Feuer, schlürften warmes Bier und hatten bereits die Kälte vergessen. Sie erzählten und gaben Texte von Theaterstücken des Vorjahres zum Besten. Doch als die Türklinke sich bewegte, war es vorbei mit den Erzählungen. Die Feldmaus stellte den gefüllten Einkaufskorb auf den Tisch und man bereitete aus den Speisen ein herrliches Abendmahl.
Ohne lange zu zögern griffen alle zu, dann ließ auch der Maulwurf sich nicht mehr lange bitten und langte zu. Er war ausgehungert und freute sich, welch schönes Fest am Tage seiner Heimkehr stattfand.
Die Feldmäuse erzählten den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Dorf. Die Ratte war überaus gastfreundlich. Da machte sich der Maulwurf keine Sorgen mehr. Nach einer Weile verabschiedeten sich die Feldmäuse und wünschten ein frohes Weihnachtsfest. Vorher dankten sie den beiden gastfreundlichen Tieren für das üppige Mahl und die zahlreichen Geschenke, die sie für ihre kleinen Geschwister noch mitnehmen durften.
Maulwurf und Ratte räumten kurz auf, zogen ihre Sessel vor das Kaminfeuer und begaben sich alsbald zu Bett. "Was für ein gemütliches Heim du hast", schwärmte die Ratte noch einmal. Der Maulwurf kuschelte sich ins heimelige Kissen in seiner Schlafkoje und war zufrieden. Sein Blick schweifte noch einmal durch den Raum und ihm wurde klar, was die Ratte ihm hatte zeigen wollen.
So bescheiden das hier alles war, so schön und bedeutungsvoll war das Heim für ihn. Natürlich wollte er von der Freiheit des Lebens am Ufer und am Fluss nicht mehr ablassen - jetzt hatte er das Leben in Sonne und Wind kennen gelernt und wollte es nicht mehr missen. Doch es war beruhigend, jederzeit in das eigene Heim zurückkehren zu können. In die gemütliche Erde, an diesen Fleck, der ihm gehörte. Hier freuten sich alle, ihn wieder zu sehen und er fühlte sich willkommen.