Einmal im Jahr steht die Kiewer Filmszene Kopf: dann ist "Molodist"-Zeit. Das Filmfestival in der Ukraine gehört zu einem der wichtigsten in Osteuropa. Nun möchten die Veranstalter es auch international bekannt machen.
"Molodist" heißt "Jugend" und ist auch der Name des Kiewer Filmfestivals. Und so sitzt die Kiewer Jugend morgens um halb zwölf im Kino. Der ganze Saal ist voll. Während der Vorstellung herrscht ein reges Kommen und Gehen. Bei besonders guten Szenen applaudiert das Publikum begeistert. Und während im Film die Spannung steigt, klingelt in der fünften Reihe ein Telefon. Gelassen nimmt ein junges Mädchen das Gespräch an und redet auf Russisch mit einer Freundin.
Das "Molodist"-Festival wurde vor über 30 Jahren gegründet. Damals diente es als Plattform für die Absolventen der ukrainischen Filmhochschulen. Doch seit den 1980er Jahren werden auch Debütfilme aus anderen Ländern gezeigt. Der Wettbewerb der Filme steckt voller Entdeckungen: Vor einiger Zeit wurde zum Beispiel "Das Leben der Anderen" gezeigt, der Film, mit dem der Deutsche Florian Henckel von Donnersmarck den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film gewann.
Das Festival ist über die Kinos in der ganzen Stadt verteilt. Zum Teil sind es Paläste, die mit Gold verziert sind. Und Kinosäle, die an Dekoration jedem Theater den Rang ablaufen. Andere Kinos sind Erinnerungen an die kommunistische Schlichtheit – aus Beton errichtet. Die Hälfte der Besucher sind Jugendliche. Die jungen Zuschauer bejubeln die Filme am lautesten.
Es ist ein Festival für die Kiewer. Festivaldirektor Andriy Khalpakhchi will das ändern und mehr internationales Publikum ansprechen. Doch einige Wettbewerbsfilme laufen in russischer Sprache und ohne Untertitel. Gäste aus dem Ausland können dann nichts verstehen. Khalpakhchi leitet das Festival seit über 20 Jahren und will der kleinen heimischen Filmindustrie zu mehr Berühmtheit verhelfen. Dazu wird jetzt mit staatlicher Hilfe ein Filmfonds gegründet. Der Kiewer Jugend gefällt das Programm auch so schon, sie sitzt mit Popcorn im Kino, telefoniert während der Vorstellung und genießt das Festival.
GLOSSAR
Kopf stehen – ein Ausdruck für eine ausgelassene und fröhliche Stimmung
Vorstellung, die – hier: das Zeigen eines Films
rege – lebendig; aktiv
applaudieren – in die Hände klatschen und damit seine Begeisterung ausdrücken
steigen – hier: zunehmen; stärker werden
gelassen – entspannt; locker
dienen als – eine Funktion haben
Plattform, die – hier: die Möglichkeit, sich selbst oder etwas vorzustellen
Absolvent, der – jemand, der eine Ausbildung beendet
Filmhochschule, die – eine Art Universität, an der Studenten lernen, Filme zu machen
Debütfilm, der – der erste Film von einem Regisseur
Lichtspielhaus, das – das Kino
etwas/ jemandem den Rang ablaufen –besser oder schöner als etwas/ jemand anderes sein
Schlichtheit, die – die Einfachheit; hier auch: ohne Kreativität
Untertitel, der – die Übersetzung fremdsprachlicher Dialoge in einem Film
jemandem/ etwas zu etwas verhelfen – fördern; helfen
Filmfonds, der – ein Programm, mit dem Projekte für Filme unterstützt werde