Nicht selten in der Musikgeschichte hat die Kritik neuen Bands nichts zugetraut. Die sich selbst aber schon, zum Glück, denn ihre Fans liebten sie sofort. Den Beatles ging es so und ebenfalls Led Zeppelin. Für ihr Debutalbum ernteten sie Verrisse in der Presse und Applaus beim Publikum. Autor: Markus Mähner
Fehleinschätzungen gibt es viele in der Musikgeschichte. Manch einer musste sich im Lauf der Zeit eines Besseren belehren lassen. Etwa der Pianist Nikolai Rubinstein. Als Freund von Peter Tschaikowski konnte er ihm ehrlich seine Meinung sagen. Und dies tat er auch als er Tschaikowskis berühmtes Klavierkonzert Nummer 1 als unzusammenhängend, bruchstückhaft und armselig komponiert bezeichnete. Es sei eigentlich nicht mehr zu retten. Welch ein Klassiker!
Schön – und zugleich auch tragisch: Dick Rowe. Als er 1962 im Namen der Plattenfirma Decca die jungen Beatles ablehnte - mit der Begründung Gitarrengruppen hätten keine Zukunft - katapultierte er sich in den Olymp der musikgeschichtlichen Fehleinschätzer.
Grandios daneben liegen…
Etwas bescheidener, wenngleich auch nicht minder zukunftsblind: Der Musikkritiker John Mendelsohn. In einer vernichtenden Plattenkritik für das Musikmagazin "Rolling Stone" verriss er das Debutalbum einer Band, die sehr bald genrebegründend und eine der erfolgreichsten Gruppen der 1970er Jahre werden sollte. Das Cover des Albums, das am 12. Januar 1969 erschien, zierte die berühmte Fotografie des brennenden Luftschiffs „Hindenburg“ - passend zum Namen der Band: Led Zeppelin.
Der Kopf der Band, Gitarrist Jimmy Page, der maßgeblich für das Songwriting als auch für die Produktion verantwortlich war, fühlte sich besonders angegriffen. Er sei – so Mendelsohn in seiner Kritik – zwar ein sehr routinierter Bluesgitarrist, doch seine Songs seien einfallslose, schwache Kompositionen und seine Fähigkeiten als Produzent äußerst eingeschränkt.
Heute gilt die Aufnahmetechnik der Platte, die besonderen Wert auf den Raumklang legt, als zukunftsweisend und viele der Songs sind Rockklassiker geworden. Wer sie einmal gehört hat, erkennt sie nach zwei bis drei Tönen.
Aller Anfang ist schwer…
Doch auch Sänger Robert Plant musste erstmal schlucken, als er die Kritik im Rolling Stone Magazine las. Er mag vielleicht genauso albern sein wie Rod Stewart, aber niemals sei er auch nur annähernd so spannend. Sein Kreischen sei angestrengt und keineswegs überzeugend. Dass Generationen von Sängern später genau dieses Kreischen nachahmen wollten, konnten sowohl Plant als auch Mendelsohn nicht wissen. Ja sogar der kölsche Jung und BAP-Sänger Wolfgang Niedecken gab einmal zu, dass er - so wie alle Anderen - eigentlich wie Robert Plant klingen wollten.
Unbeeindruckt von all der Kritik verkaufte sich "Led Zeppelin I" so erfolgreich, dass neben dem Debutalbum der Beatles wohl keine andere Platte in der Musikgeschichte Studiozeit so ökonomisch ausgenutzt hat. In nur 36 Stunden nahmen Led Zeppelin diesen Meilenstein der Rockgeschichte auf. Allein in den USA wurde die Platte bis heute über 10 Millionenmal verkauft. Als Wendepunkt in der Entwicklung der Hardrockmusik findet sich "Led Zeppelin I" in der "Liste der Alben, die die Musik veränderten" ebenso wie bei den "Alben die man hören muss, bevor man stirbt". 2012 wählte selbst das Rolling Stone Magazine es in seiner "Liste der 500 besten Alben aller Zeiten" auf Platz 29.