97.
Grenzenlos ist das Erste,
Gleicht der Unendlichkeit;
Aber das Zweite währet
Nur eine flüchtige Zeit.
Lichtfrohe Kräfte entfaltend,
Zeigt’s euch der Erde Pracht,
Naht mit der Morgenröte
Und erstirbt in der Nacht.
Wollet das Ganze nicht schelten!
Brächt’ es nicht Mühen und Pflicht,
Wäre so süß nicht die Ruhe,
Freude nicht mehr so licht.
98.
Verborgnen Quellen pflegt es zu entsteigen,
In seinem Schimmer spiegelt sich die Welt.
Doch nur, wo Menschen weilen, kann sich’s zeigen,
Und keiner lebt, dem es sich nie gesellt.
Es dringt hervor in lichten Tagesstunden,
Es birgt im Schoß sich der verschwiegnen Nacht.
Ob stumm auch, mag es tiefstes Glück bekunden,
Trägt’s alles Leid, das Menschen weinen macht.
Bekämpft, besiegt, doch immer neu geboren,
Wer ist, der’s aus der Welt zu bannen wüßt’?
Doch rasch geht seine Erdenspur verloren,
Und sanft wird’s oft von Liebe weggeküßt.
99.
Es grüßte dich an deines Lebens Schwelle,
Es hat dir viel zu sagen, laut und leis.
Gern jedem dienend mit Gedankenschnelle,
Zieht Erd’ und Himmel es in seinen Kreis.
Wer mag, was ihm die Menschheit dankt, ermessen,
Ergründet’s ganz nach Ursprung und nach Wesen?
Wohl mag es sein, daß manche mit ihm spielen,
Man will’s erhaschen, und der Wind verweht’s.
Doch trotz des flücht’gen Treibens all der vielen
Bleibt es bedeutsam und verjüngt sich stets.
Durch Fernen eilt’s, es überwährt die Stunde,
Geschicke lenkt’s und lebt in aller Munde.
Du pflegst, was dich bewegt, ihm zu vertrauen,
Es tröstet und befreiet oft das Herz
Und hilft dir, eine geist’ge Welt erbauen.
Doch wenn’s verstummt in Freude oder Schmerz,
Wenn es sich scheut, ein Schweigen zu durchbrechen,
Dann blick’ ins Auge: auch die Augen sprechen.
100.
Manch schwere Last trägt es für uns auf Erden,
Die wir oft selbst von ihm getragen werden.
Doch leuchtend, allem Erdentreiben ferne,
Zieht’s seine stille Bahn im Reich der Sterne.
97. Alltag.
98. Die Träne.
99. Das Wort.
100. Der Wagen.