»Da hamse recht«, sagte Fräulein Krömeier und nahm mit zwei
Fingern das Kaugummi aus dem Mund. »Hamwa hier ooch ’nen
Papierkorb? Den verjessense nämlich meestens.« Sie sah sich um,
entdeckte keinen Papierkorb, stand mit einem »Moment« auf, schob
das Kaugummi wieder in den Mund und verschwand. Ich stand ein
wenig unnütz in der Mitte des Raumes. Dann setzte ich mich wieder.
Kurz darauf kehrte sie zurück, einen leeren Papierkorb in der Hand.
Sie stellte ihn ab, holte erneut das Kaugummi aus ihrem Mund und
ließ es zufrieden in den Korb fallen.
»So«, sagte sie, »bessa.« Dann wandte sie sich wieder mir zu. »Wat
hamse sich denn so vorjestellt, Meesta?«
Ich seufzte. Sie also auch. Ich musste wohl ganz von vorne
anfangen.
»Zunächst«, sagte ich, »heißt das nicht ›Meister‹, sondern ›Führer‹.
Also ›Mein Führer‹, wenn Sie möchten. Und ich möchte, dass Sie
anständig grüßen, wenn Sie hier hereinkommen!«
»Jrüßen?«
»Mit dem Deutschen Gruß natürlich! Mit dem erhobenen rechten
Arm.«
Begreifend leuchtete ihr Gesicht auf, dann war sie mit einem Satz
auf den Beinen: »Ick hab det ja jewusst. Jenau det isset doch! Messed
Ekting! Soll ick et jleich ma’ machen?«
Ich nickte zustimmend. Sie eilte aus der Tür, schloss sie, klopfte an,
und als ich »Herein« sagte, trat sie ein, riss ihren Arm senkrecht in die
Höhe und schrie: »JUTEN MORJEN, MEEN FÜHRA!« Und dann fügte
sie hinzu: »Det jehört so jeschrien, wa? Ick hab det ma’ innem Film
jesehen.« Dann hielt sie erschrocken inne und brüllte: »ODA JEHÖRT
DET ALLET JESCHRIEN? HAM DIE BEI DEM HITLA IMMA ALLE
DAUERND JESCHRIEN?« Sie musterte mein Gesicht und sagte
wieder in einer besorgten, aber normalen Stimmlage: »Det war jetz
ooch wieder falsch, oda? Det tut ma leid! Nehmn Sie jetze wen
anderet?«
»Nein«, sagte ich beruhigend, »das ist schon in Ordnung. Ich
erwarte von keinem Volksgenossen Perfektion. Ich erwarte nur, dass
er sein Bestes gibt, ein jeder auf seinem Posten. Und Sie scheinen mir
auf einem ausgezeichneten Wege dazu. Aber bitte, tun Sie mir einen
Gefallen: Schreien Sie nicht mehr!«
»Jawohl, meen Führa!«, sagte sie und fügte dann hinzu: »Jut, wa?«
»Sehr schön«, lobte ich. »Die Hand sollte allerdings etwas weiter
nach vorn. Sie melden sich schließlich nicht in einer Dorfschule!«
»Jawohl, meen Führa. Un wat machn wa nu?«
»Zunächst«, sagte ich, »zeigen Sie mir, wie man diesen
Fernsehapparat bedient. Dann entfernen Sie den Apparat auf Ihrem
Schreibtisch, Sie werden ja hier nicht fürs Fernsehen bezahlt. Und
dann brauchen wir eine vernünftige Schreibmaschine für Sie. Es geht
da nicht jeder Apparat, wir brauchen den Schrifttyp Antiqua 4 mm, und
was immer Sie für mich schreiben, schreiben Sie mit einem
Zeilenabstand von einem Zentimeter. Sonst kann ich das Ganze nur
mit Brille lesen.«
»Schreibmaschine kannick nich«, sagte sie, »ick kann nur oofm
Pezeh. Und wenn Se mir den wegnehmen, kannick janüscht mehr.
Aba erstens kriegen wir mit dem Computer jede Schriftgröße, die Se
brauchen. Und zweetens kann ick Ihnen schon mal Ihren Computer
anschließen.«
Und dann stellte sie mir eine der erstaunlichsten Errungenschaften
aus der Geschichte der Menschheit vor: den Computer.