Als die Schüler beider Rassen meiner ansichtig wurden, ging ein
freudiges Wiedererkennen über einige ihrer Gesichter. Es war ganz
klar, dass die deutschstämmigen Schüler mich wohl aus dem
Geschichtsunterrichte kannten, die türkischstämmigen aus den
Untiefen des Fernsehapparates. Es kam, wie es kommen musste. Ich
wurde wieder fälschlicherweise identifiziert als der »andere Herr
Stromberger aus Switsch«, musste einige Autogramme geben und
mehrere Fotos mit diversen Schülern machen lassen. Das
Durcheinander war nicht übertrieben, aber doch so beträchtlich, dass
ich vorübergehend den Überblick verlor und fast den unsinnigen
Eindruck gewann, die deutschen Schüler sprächen denselben
zerhackten Sprachsalat. Als ich aus dem Augenwinkel eine weitere
verrückte Frau sah, die geradezu akribisch die einzelnen
Exkrementteile ihres Hundes auflas, hielt ich den rechten Zeitpunkt für
gekommen, mich wieder in die Ruhe und Abgeschiedenheit meines
Büros zurückzuziehen.
Ich saß gerade etwa zehn Minuten hinter meinem Schreibtische und
betrachtete die neuerliche Wachablösung von Rauchern zu Ratten, als
die Türe sich öffnete und jemand eintrat, der möglicherweise erst vor
Kurzem jener Gruppe der Schulfrauen unbestimmbaren Alters
entwachsen war. Sie trug allerdings auffallend schwarze Kleidung zu
ihren langen, dunklen Haaren, die sie glatt zur Seite gescheitelt hatte.
Und gewiss, wer hätte eine Vorliebe fürs Dunkle, ja Schwarze besser
zu schätzen gewusst als ich, nicht zuletzt bei der SS hatte das immer
sehr schneidig ausgesehen. Doch im Gegensatz zu meinen SSMännern
sah die junge Frau fast schon beunruhigend bleich aus, was
besonders ins Auge stach, weil sie wiederum einen auffallend dunklen,
fast bläulichen Lippenstift bevorzugte.
»Um Gottes willen«, sagte ich aufspringend, »fühlen Sie sich wohl?
Ist Ihnen kalt? Setzen Sie sich rasch!«
Sie sah mich unbeirrt ein Kaugummi kauend an, zog dann zwei
Stöpsel an Schnüren aus ihrem Ohr und sagte: »Hm?«
Ich begann an der Theorie der Türkenstöpsel zu zweifeln. Die junge
Frau strahlte überhaupt nichts Asiatisches aus, ich musste der Sache
wohl ein anderes Mal auf den Grund gehen. Und zu frieren schien sie
auch nicht, jedenfalls ließ sie einen schwarzen Rucksack von ihrer
Schulter gleiten und zog den schwarzen Herbstmantel aus. Darunter
trug sie gewöhnliche Kleidung, mit der Einschränkung, dass auch
diese von komplett schwarzer Färbung war.
»Na«, sagte sie dann, ohne weiter nach meiner Frage zu forschen,
»Sie sind denn wohl der Herr Hitler!« Sie hielt mir ihre Hand hin.
Ich schüttelte ihre Hand, setzte mich wieder und sagte relativ knapp:
»Und wer sind Sie?«
»Vera Krömeier«, sagte sie. »Det is ja kuhl. Kann ich Sie jleich mal
wat fragen? Is det Messed Ekting?«
»Verzeihung?«
»Na det, wat der de Niro ooch macht. Und der Patschino. Messed
Ekting. Wo man so janz drinne is in seine Rolle?«
»Sehen Sie, Fräulein Krömeier«, sagte ich bestimmt und erhob
mich, »ich weiß nicht genau, wovon Sie reden, aber entscheidend ist
vor allem, dass Sie wissen, wovon ich rede, und da …«