Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest;
Ach, ich bin des Treibens müde,
Was soll all der Schmerz und Lust? –
Süßer Friede!
Komm, ach komm in meine Brust.
Im Kloster hab' ich viel predigen hören, über den Weltgeist und die Eitelkeit aller Dinge, ich habe selbst den Nonnen die Legende jahraus jahrein vorgelesen, weder der Teufel noch die Heiligen haben bei mir Eindruck gemacht, ich glaub', sie waren nicht vom reinen Stil; ein solches Lied aber erfüllt meine Seele mit der lieblichsten Stimmung, keine Mahnung, keine weise Lehren könnten mir je so viel Gutes einflößen; es befreit mich von aller Selbstsucht, ich kann andern alles geben und gönne ihnen das beste Glück, ohne für mich selbst etwas zu verlangen; das macht, weil es vom reinen edlen Stil ist. So könnte ich noch manches seiner Lieder hersetzen, die mich über alles erheben und mir einen Genuß schenken, der mich in mir selber reich macht. Das Lied: Die schöne Nacht, hab' ich wohl hundertmal dies Jahr auf spätem Heimweg gesungen:
Luna bricht durch Busch und Eichen,
Zephyr meldet ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den schönsten Weihrauch auf.
Wie war ich da glücklich und heiter in diesem Frühjahr, wie die Birken während meinem Gesang rund um mich her der eilenden Luna wirklich ihren duftenden Weihrauch streuten. Es soll mir keiner sagen, daß reiner Genuß nicht Gebet ist. Aber in der Kirche ist's mir noch nimmer gelungen, da hab' ich geseufzt vor schwerer Langenweile, die Predigt war wie Blei auf meinen Augenlidern. O je, wie war mir leicht, wenn ich aus der Klosterkirche in den schönen Garten springen konnte, da war mir der geringste Sonnenstrahl eine bessre Erleuchtung als die ganze Kirchengeschichte.
Das zweite Kunstwerk, welches ich Ihr beschreibe, ist ein Delphin aus einem großen Elefantenzahn gemacht; er sperrt seinen Rachen auf, in den ihm zwei Amoretten das Gebiß einlegen; ein andrer, der auf dem Nacken des Delphins sitzt, nimmt von beiden Seiten den Zaum; auf der Mitte des Rückens liegt ein goldner Sattel mit einem Sitz von getriebener Arbeit, welches Laubwerk von Weinreben vorstellt; inmitten desselben steht Bacchus von Elfenbein, ein schöner, zarter, schlanker Jüngling mit goldnen Haaren und einer phrygischen Mütze auf; er hat die eine Hand in die Seite gestemmt, mit der andern hält er einen goldnen Rebstock, der unter dem Sattel hervorkommt und ihn mit schönem, feinem Laub überdacht; auf beiden Seiten des Sattels sind zwei Muscheln angebracht wie Tragkörbe, darin sitzen zwei Nymphen von Elfenbein in jedem und blasen auf Muscheln; die breiten Floßfedern, so wie der Schwanz des Fisches sind von Gold und Silber gearbeitet; unmittelbar hinter dem Sattel schlängelt sich der Leib des Fisches aufwärts, als ob er mit dem Schweif in die Lüfte schnalze; auf dem Bug desselben sitzt ein zierliches Nymphchen und klatscht in die Hände; dieses kommt etwas höher zu stehen und sieht über die Gruppe des Bacchus herüber; die Floßfedern des Schweifes bilden ein zierliches Schattendach über der Nymphe; der Rachen des Fisches ist inwendig von Gold; man kann ihn auch mit Wein füllen, der dann in zwei Strahlen aus seinen Nüstern emporspringt; man stellte dieses Kunstwerk bei großen Festen in einem goldnen Becken auf den Nebentischen auf. Dieses ist nun ein Kunstwerk vom erhabenen Stil, und ich kann auch sagen, daß es mich ganz mit stummer heiliger Ehrfurcht erfüllte. Noch viele dergleichen sind da; alles hat Bezug auf den Rhein, unter andern ein Schiff von Zedernholz, so fein gemacht, mit schönen Arabesken; ein Basrelief umgibt den Oberteil des Schiffes, auf dessen Verdeck die drei Kurfürsten von Köln, Mainz und Trier sitzen und zechen; Knappen stehen hinter ihnen mit Henkelkrügen. Dies hat mir nicht so viel Freud' gemacht, obschon viel Schönes daran ist, beso
nders die Glücksgöttin, die am Vorderteil des Schiffes angebracht ist.